Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
verhärtete sich. »Machen Sie sich wegen Janson keine Sorgen. Ich werde mich persönlich um den Detective kümmern.«
Nach diesen Worten fand sich Grace sanft, aber bestimmt in den Fahrersitz der Limousine gedrängt. Der Motor schnurrte noch immer. Farr lehnte sich in die offene Tür hinein.
»Bitte nehmen Sie das hier.« Er gab ihr einen kleinen, dünnen Gegenstand. »Nehmen Sie mit mir Kontakt auf, so schnell Sie können.«
Er schlug die Tür zu und schloß Grace im angenehmen Inneren der Limousine ein. Sie blickte auf den Gegenstand, den ihr Farr in die Hand gedrückt hatte. Es handelte sich um eine weiße Visitenkarte. Die schlichte Aufschrift lautete:
Die Sucher 1-800-555-8294
Grace starrte die Karte an. Farrs Stimme riß sie aus ihrer Lähmung. »Fahren Sie, Dr. Beckett«, sagte er. »Sofort!«
Instinkt übernahm die Führung, und sie trat das Gaspedal durch. Der Wagen machte mit erstaunlicher Geschwindigkeit einen Satz nach vorn und drückte sie in den Ledersitz zurück. Grace packte das Lenkrad fester und brachte den Wagen unter Kontrolle, während er in die Nacht raste. Sie sah in den Rückspiegel und versuchte einen Blick von der Welt zu erhaschen, die sie zurückließ. Doch die Scheiben der Limousine waren zu stark getönt. Sie sah bloß die Dunkelheit und ihr aschfahles Spiegelbild, das mit heimgesuchtem Blick zurückstarrte.
19
»Danke, beehren Sie uns wieder«, murmelte der Angestellte hinter der Theke desinteressiert. Ohne einen Blick an sie zu verschwenden, gab er Grace das Wechselgeld zurück und drehte sich um, um den Getränkeautomaten mit einem schmutzstarrenden Lappen zu bearbeiten.
Hier muß ich mir keine Sorgen machen, daß jemand mein Gesicht erkennt, dachte Grace mit einer leicht manischen Erleichterung. Sie würde sich nie wieder über gleichgültigen Service beschweren. Sie ließ die Blicke durch den mit Neonlicht erhellten Tankstellenladen schweifen, an dem sie angehalten hatte, um Farrs Limousine aufzutanken. Ein rätselhaftes Piktogramm erregte ihre Aufmerksamkeit. Vermutlich verwies es auf die Damentoilette. Grace stieß die Stahltür auf. Sie schob die Kette unter die Bluse, spritzte sich Wasser ins Gesicht und kämmte mit den Fingern das Haar in dem Versuch, etwas weniger wie ein Flüchtling vor dem Gesetz auszusehen. Ihr kam ein Gedanke. Sie verriegelte die Toilettentür, dann zog sie Jansons Pistole aus der Tasche und wischte sie mit einem Papierhandtuch ab. Nachdem sie diese in eine Handvoll Papierhandtücher eingewickelt hatte, schob sie sie tief in den Mülleimer, dann öffnete sie die Tür, durchquerte den Laden und trat in die Nacht hinaus. Ein Blick durch das Fenster bestätigte ihre Erwartungen. Der Verkäufer polierte weiterhin mit geistlosem Fleiß den Getränkeautomaten.
Grace eilte zum Wagen zurück und stieg ein. Sie befand sich noch immer in den Außenbezirken von Denver. Es war Zeit, einige Entfernung zwischen sich und die Stadt zu legen. Sie drehte den Zündschlüssel, und ihr Blick fiel auf einen weißen Umriß auf dem Armaturenbrett. Hadrian Farrs Visitenkarte. Sie nahm sie und betrachtete sie erneut. Die Sucher. Das mußte der Name der Organisation sein, der er angehörte. Der Gesellschaft von Gelehrten, wie er sie genannt hatte. Aber wer waren sie in Wirklichkeit, und warum machten sie sich eine derartige Mühe und gingen ein so großes Risiko ein, um jemandem wie ihr zu helfen? Der einzige Grund, der so etwas wie einen Sinn ergab, war der, den Farr selbst ihr gegeben hatte. Daß die Sucher das Ungewöhnliche beobachteten, daß es ihre Lebensaufgabe war, seltsame Geschehnisse zu studieren, und daß Grace sich, ohne es zu wollen, mitten in einer ihrer Untersuchungen wiedergefunden hatte.
Grace schob die Visitenkarte in die Tasche, dann lenkte sie den Wagen auf die Straße. Sobald sie einen sicheren Ort erreicht hatte, einen Ort, an dem sie die Polizei nicht finden würde, würde sie die Nummer auf der Karte anrufen. Sie wollte den Suchern dafür danken, daß sie ihr die Flucht ermöglicht hatten. Doch hinter diesem Wunsch steckte mehr als nur bloße Dankbarkeit. Mit Sicherheit verfügten die Sucher über mehr Wissen über die Männer mit den Eisenherzen, als Farr ihr enthüllt hatte. Jetzt, da sie von ihrer Existenz wußte, konnte sie sie und das Böse, das mit ihnen einherging, nicht einfach wieder vergessen. Sie wollte mehr über sie erfahren – wo sie herkamen, was sie wollten, wie das scheinbar unmögliche Metallorgan funktionierte und sie am
Weitere Kostenlose Bücher