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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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packte er sie erneut. Sie schlug mit der Linken zu, aber ihre Hand verfing sich an einer Schlaufe am Kragen seines Wamses. Er wirbelte sie herum und warf sie hart gegen die Wand. Etwas riß, und ein Schmerz durchraste sie.
    Sie blinzelte, ihre Sicht klärte sich wieder. Er stand immer noch vor ihr, aber sein Gesicht war nicht länger ebenmäßig und ansehnlich, sondern eine verzerrte Maske aus Haß und Verlangen. Bei dem Handgemenge war sein Wams aufgerissen worden. Aryns Blick fiel auf seine Brust, sie war breit und ganz glatt. Dann bewegte er sich, das Wams klaffte noch weiter auf – und da sah sie es. Die Wunde zog sich die Mitte seines Oberkörpers hinunter, grobe Stiche hielten die rissigen Ränder zusammen.
    Neues Entsetzen machte sich in Aryn breit. Sie war in Gefahr, aber auf eine ganz andere Weise, als sie geglaubt hatte. Sie hatte es nicht mit dem Verlangen eines Mannes zu tun, denn das Ding, das da vor ihr stand, war kein Mensch mehr. Sie versuchte sich zu befreien, aber er war viel zu stark.
    Er grinste. »Man braucht schon zwei Hände, um gegen mich zu kämpfen.«
    Nein. Sie wollte um Hilfe rufen, Grace oder Beltan alarmieren. Sie würden ihr beistehen. Aber er griff so brutal zu, daß sämtliche Luft aus ihr herausströmte und sie keinen Laut von sich geben konnte. Seine anzüglich grinsende Visage kam auf sie zu. Sie roch den Fäulnisgestank, der von der mörderischen Wunde in seiner Brust aufstieg.
    »Du hast ein hübsches Gesicht«, zischte Leothan. »Zu schade, daß du ein Monstrum bist. Aber ich bin heute abend großzügig gestimmt. Ich werde dich zu einer richtigen Frau machen.« Er griff wieder nach seiner Hose.
    Aryn starrte ihn an. Ihre Furcht schmolz dahin, an ihre Stelle trat kochende Wut. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Leute wie ihn ertragen müssen: Leute ohne Herz. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich ihnen unterworfen, um zu vermeiden, daß ihre abscheuliche Deformierung sie aus der Fassung brachte. Jetzt reichte es. Blutroter, lange genährter Zorn stieg in ihr auf. Aryn ließ zu, daß er sie ausfüllte, bis sie sich ganz leicht, voller Auftrieb und stark fühlte. Sie fixierte Leothan mit ihrem Blick und sprach die folgenden Worte, während die Macht von neunzehn Jahren Wut sie erbeben ließ.
    »Ich … bin … eine … richtige … Frau!«
    Er keuchte auf, riß die Augen weit auf. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, Blut tropfte aus seiner Nase.
    Aryn ließ ihren Zorn in ihn hineinfließen. Jetzt war er derjenige, der von ihr wegzukommen versuchte, aber seine Glieder waren von Krämpfen befallen. Er rang nach Luft, die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Blut schoß ihm in roten Strömen aus Nase und Ohren. Er wimmerte, neues Blut befleckte seine Hosen.
    »Laß mich in Ruhe«, sagte sie und stieß ihn von sich.
    Er schrie auf, ein gurgelnder Schmerzensschrei, der aber bereits abbrach, bevor er auf dem Boden auftraf. Er blieb verkrümmt auf dem Steinfußboden liegen, in einer ständig größer werdenden Lache aus Blut und Gehirn.
    Aryn schaute auf die Leiche herunter, mit angespannten Muskeln und erstarrtem Körper, die Hand vor Wut zur Faust geballt. Ja! Sie hatte es geschafft! Dann durchfuhr sie ein Schauder. Die Wut floß aus ihr heraus wie Wein aus einer zerbrochenen Flasche. Sie legte die linke Hand an den Mund, aber ein leiser Entsetzenslaut entschlüpfte ihren Fingern. Sie konnte den Blick nicht von dem toten Grafen wenden. Was hatte sie getan? Er war ein Ungeheuer gewesen, aber sie hatte ihn getötet, ihn mit ihrem Zorn vernichtet. Zu was machte sie das?
    Zu etwas Schlimmerem als einem Ungeheuer?
    Die Wand im Rücken, sank Aryn zu Boden, schlang den gesunden Arm um ihre Knie und weinte.

38
    Im Schloß lauerte Gefahr. Durge spürte es genau.
    Er verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und das Kettenhemd unter dem Wams klirrte. In dem kleinen Warteraum war es kalt. An den Wänden hingen keine Wandteppiche, der Boden war nackt, und im Kamin brannte kein Feuer. Durge störte das nicht. Es war besser, wenn einem kalt war – Wärme konnte einen Mann schläfrig und unkonzentriert machen. Die Kälte würde seine Augen offen und seinen Verstand geschärft halten; die ganzen Jahre als Ritter wie auch seine gesamte Schlachterfahrung sagten ihm, daß er beides noch brauchen würde, bevor der Abend vorbei war.
    Er bewegte die Finger seiner Schwerthand. Trotz des dicken Lederhandschuhs waren sie steif und wund, und er konnte fühlen, wie bei jeder Bewegung die Knochen

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