Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige
Zeit – sie wußten, daß er in der Falle saß. Durge packte sein Schwert fester. Er dachte an seine Freunde: Grace, seine mutige Herrin, ihr netter Freund Travis, der anständige Ritter Beltan. Zuletzt dachte er an die junge Lady Aryn und ihr hübsches Gesicht und die Stärke, die ihren himmelblauen Augen innewohnte. Es tat ihm leid, daß er ihnen nicht Lebewohl würde sagen können.
Einer der Feydrim wagte sich vor, hieb mit seinen Krallen zu und wich der zuschlagenden Klinge aus. Sie testeten ihn; kluge Ungeheuer. Sein Herz fing wieder an zu hämmern, Wärme flutete in seine Glieder zurück. Ja, so fühlte es sich an, wenn man wieder jung war.
»Warum wartet ihr?« schrie er den Geschöpfen entgegen. Hinter seinem Schnurrbart grinste er wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. »Tötet mich, wenn ihr deshalb gekommen seid. Aber denkt an meine Worte … Durge von Embarr wird nicht der einzige sein, der heute abend stirbt!«
Er brachte das Schwert in Angriffsposition, und die Feydrim warfen sich auf ihn.
39
Beltan stand in der Nähe der Flügeltür zu Calaveres Großem Saal und wartete darauf, daß Aryn mit ihrem Mann herauskam. Er war den Plan in Gedanken immer wieder durchgegangen, um sicherzugehen, daß er auch alles begriffen hatte, um sicherzugehen, daß er keine Fehler machte. Täuschungsmanöver gehörten nicht zu Beltans Stärken. Er war viel besser darin, für alle Welt sichtbar eine nackte Klinge zu schwingen, als einen Dolch hinter dem Rücken versteckt zu halten.
Er atmete tief durch. Das hier darfst du nicht verderben, Beltan. Du hast nur eine einzige Chance. Wenn Aryn auftaucht, denke nicht, sondern handle.
Seine Sorge war albern, der Plan war einfach. Er sollte vor dem Eingang zum Großen Saal stehen, auf und ab gehen und so tun, als würde er auf einen Kameraden warten, der sich verspätete. Wenn Aryn dann mit dem Mörder durch die Tür kam, sollte er ihr höflich zunicken wie jedem vorbeigehenden Adligen und seinen Marsch wieder aufnehmen. Doch sobald die beiden um die Ecke verschwunden waren, sollte er ihnen nachschleichen und ihnen zu dem kleinen Warteraum folgen, in dem Sir Durge wartete. Dort würden sie dann den Mörder überwältigen, und ihr Plan war aufgegangen.
Falls er ihn nicht ruinierte. Das Problem mit Plänen bestand darin, daß es stets zu Fehlern kommen konnte. Beltan fühlte sich viel wohler, wenn er seinem Feind ohne jede Hinterlist gegenübertrat. Schließlich konnte man schlecht einen logischen Fehler machen, wenn alles, was man zu tun hatte, darin bestand, den Gegner zu durchbohren, bevor er einen durchbohrte.
Er schnaubte. Und da gibt es Leute, die der Ansicht waren, du hättest der König sein können, Beltan der Bastard. Die müssen noch beschränkter gewesen sein, als du es bist.
Ein paar Adlige, die sich verspätet hatten, eilten an ihm vorbei. Beltan tastete nach dem Tafelmesser in seinem Gürtel und wünschte sich, es wäre sein Schwert. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er sein Kettenhemd getragen und nicht sein bestes grünes Wams mit dem passenden Umhang. Aber die Tradition verlangte es, die Wintersonnenwende unbewaffnet zu begrüßen. Später in der Nacht würden die Feiernden im Großen Saal das Ewige Scheit entzünden, damit sein Licht die Sonne von ihrer winterlichen Reise nach Süden zurückholte. Falls auch nur ein Teilnehmer eine Waffe trug – so erzählte es zumindest die Legende –, würde die Sonne aus Furcht noch weiter nach Süden fliehen und der Winter niemals enden.
Eine Gänsehaut lief Beltan den Rücken hinunter. Er war nicht davon überzeugt, daß dieser Winter endete, egal wie hell das Ewige Scheit in dieser Nacht auch brannte. Es war eine seltsame Kälte, die das Schloß gepackt hielt; sie drohte seine Mauern zu spalten. Er hatte noch niemals etwas Vergleichbares gefühlt und bezweifelte, daß es die anderen hatten. Mit Ausnahme von Falken natürlich.
Beltan berührte eines der Blumengebinde aus grünen Blättern und roten Beeren, die um seinen Hals hingen. Mehrere Jungfrauen waren früher am Abend auf ihn zugekommen, jede mit einem selbstgefertigten Kranz in der Hand. Beltan hatte höflich den Kopf gesenkt und zugelassen, das sie alle ihm ihre Kränze umhängten. Es war eine weitere Tradition des Wintersonnenwendfestes, daß eine junge Frau für den Mann, dem sie Sympathie entgegenbrachte, einen Kranz flocht. Die Frau, die dem Mann, der die meisten Kränze erhielt, als letzte ihr Gebinde umhängte, war diejenige, deren Wunsch in
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