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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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drängten weiter vorwärts. Falken und die anderen hieben mit ihren Messern zu, aber das würde nicht reichen. In wenigen Augenblicken würden die Feydrim die Barriere durchbrechen, Melia, Falken und die Wächter in Stücke reißen und dann auf das Podium springen, um das zu beenden, weswegen sie gekommen waren.
    Sie schloß die Augen, der Lärm im Großen Saal verblaßte, Dunkelheit hüllte sie ein. Eine vertraute Dunkelheit. Das war nicht das erste Mal, daß das Böse sie in seiner Gewalt hatte.
    Grace war ein kleines Mädchen. Sie lag stocksteif in ihrem Bett und fragte sich, ob in dieser Nacht sie diejenige sein würde, und glaubte – wie nur Kinder es können –, daß, wenn sie sich unter der Decke versteckte, die Ungeheuer ihr nichts anhaben konnten. Sie irrte sich. Die Decke bot keinen Schutz. Zuerst ertönten die leisen Schritte, dann leises Flüstern, und schließlich griffen Hände aus der Dunkelheit zu, kalte, harte Hände, die sich unter die Decke schoben, um zartes Fleisch zu berühren. Schmerzhaftes Stöhnen trieb in die Nacht und verschmolz mit den Rufen der Eulen.
    Erinnerungen gerieten in Bewegung, veränderten sich. Ein älteres Mädchen stand im Herzen des Feuers. Überall schossen Flammen empor. Sie leckten die Wände und die Decke entlang, als wäre das Holz mit einem zähflüssigen Brennstoff durchtränkt. Schreie übertönten das Brausen der Flammen – die entsetzlichen, animalischen Schreie erwachsener Männer und Frauen, die Qualen litten. Sie konnten ihren Zimmern nicht entkommen, denn irgendwie waren die Schlösser zerschmolzen, bevor das Feuer sie überhaupt berührt hatte. Ein heißer Luftschwall versengte das Gesicht des Mädchens. Es war Zeit zu gehen. Sie durchschritt das Inferno in Richtung der offenstehenden Tür, und es hatte den Anschein, als wichen die Flammen ihr aus und ließen sie passieren. Andererseits war es ihr Feuer. Sie hatte es gerufen, und es war gekommen.
    Die Flammen verschwanden und wurden von kühlen weißen Fliesen und schmalen Metallschubfächern ersetzt. Ihre Hände bewegten sich wie von eigenem Willen beseelt und öffneten eines der Schubfächer. Er lag dort drinnen, unter der Plastikfolie erschien seine schwarze Haut ganz grau. Leon. Er schlug die Augen auf und sah sie an.
    Du mußt leben, Grace. Sein Atem beschlug die Folie. Begreifst du nicht? Egal, wie sehr es auch schmerzt, du mußt leben.
    Ein helles Licht flammte hinter ihr auf. Sie drehte sich um. Nun stand sie in der Notaufnahme, und die Türen glitten auf. Tragen rollten herein, Dutzende, Hunderte, sie alle trugen Verletzte, die vor Schmerzen schrien. Eine der Tragen hielt vor ihr an. Grace beugte sich darüber und zog die Decke zurück, um die Patientin zu untersuchen.
    Die Frau auf der Trage starrte mit grün-goldenen Augen zu ihr hoch. Ärztin, heile dich selbst, flüsterte die Frau.
    Die Vision zersplitterte wie Kristall. Wie ein Donnerschlag kehrte die Geräuschkulisse zurück. Grace stand wieder im Großen Saal von Calavere. Sie starrte den Gegenstand an, den sie sich vors Gesicht hielt. Es war Trifkin Moosberes Armreif. Der steinerne Talisman wirbelte im Kreis umher.
    Es handelte sich um dieselbe Art Stein wie das Artefakt Malachors im Großen Saal.
    Grace wußte, was sie zu tun hatte.
    Sie zog Bilanz. Melia taumelte, der blaue Strahlenkranz flackerte wild. Falken griff nach ihr. Die Feydrim waren im Begriff, über die umgeworfenen Tische zu klettern. Die Wächter vor ihnen griffen die Messer fester.
    Graces Blicke schweiften durch den Saal zu dem Artefakt, das in einer der Ecken aufragte: ein massiver Ring aus dunklem Stein, der auf einem wuchtigen Holzgestell ruhte. Der Steinring hing waagerecht dort, parallel zum Boden.
    Ein saphirblaues Funkeln erregte Graces Aufmerksamkeit. Es war Aryn. Die Baronesse kam aus einer Seitentür gestolpert. Ihr Gesicht war schneeweiß, ihre Augen benommen. Sie stolperte vorwärts. Bevor Grace sich überhaupt bewußt wurde, was sie da eigentlich tat, hatte sie schon die Weltenkraft berührt, einen Faden gesponnen und ihn der Baronesse entgegengeschleudert.
    Aryn!
    Die Baronesse blickte auf; ihr totenbleiches Gesicht zeigte Verblüffung.
    Aryn, kannst du mich hören?
    Grace? Die Erwiderung war schwach, aber deutlich.
    Alles in Ordnung mit dir?
    Ein Zögern, dann: Ich … ich bin bei dir, Grace.
    Etwas war geschehen, etwas Schreckliches – Grace konnte es fühlen –, aber es würde warten müssen.
    Aryn, du mußt das Relikt ausrichten.
    Was?
    Das Relikt

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