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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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und traurig –, dann drehte sie sich um und verließ das Ratsgemach. Grace atmete tief durch. Sie mußte einen Moment lang nachdenken, um alles zu verarbeiten, was passiert war. Sie nahm die Stille des leeren Gemachs in sich auf – sie war allein.
    Aber das entsprach nicht den Tatsachen.
    Ein Mann in einem schäbigen Wams und Cowboystiefeln löste sich aus den Schatten und ging auf den Ratstisch zu. Er legte eine Hand auf den Steinkreis.
    »Nim.«
    Das Flüstern hallte durch den Raum. Der Tisch glühte auf und verblaßte wieder. Grace schaute verblüfft zu, dann trat sie an den Ratstisch heran.
    »Was ist das?« fragte sie.
    Er drehte sich überrascht um, richtete die Brille, dann lächelte er.
    »Grace.«
    Sie fuhr mit der Hand über die weiße Scheibe, die in der Mitte des Tisches eingelassen war. Sie war wieder in unversehrtem Zustand, von dem Riß, der sie gespalten hatte, fehlte jede Spur. In ihre Oberfläche waren drei silberne Linien eingegraben.

    »Du hast sie verändert«, sagte sie. »Es war die Rune des Friedens, aber jetzt ist es etwas anders. Was ist es?«
    »Die Rune der Hoffnung«, erwiderte Travis nachdenklich.
    Grace sah zu ihm hoch, dann nickte sie. So lange sie lebten, gab es Hoffnung.
    »Was wirst du jetzt machen, Grace?« Seine Stimme war leise.
    »König Boreas hat mich gebeten, auf Calavere zu bleiben.«
    Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. »Ich bin sicher, du könntest auch bleiben.«
    »Ich weiß.« Er seufzte; sein Blick glitt in die Ferne, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie. »Nun, wir sehen uns noch.«
    Sie nickte wortlos, dann streckte sie die Hand aus, um die seine zu nehmen, aber es war schon zu spät. Er drehte sich um und verließ das Gemach. Grace sah ihm nach.
    »Er will nach Hause gehen«, flüsterte sie. »Zurück zur Erde.«
    »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, sagte eine krächzende Stimme hinter ihr.
    Grace drehte sich um. »Vayla?«
    Die Alte nickte. »Das ist einer meiner Namen, mein Kind.«
    Grace bekam eine Gänsehaut. Da war etwas Seltsames an der alten Frau, das an die Hexen erinnerte oder an das Kleine Volk oder sogar an Travis, wenn er Runen sprach und band. Trotzdem war sie anders als sie.
    »Was meinst du?« fragte sie.
    Die Alte legte den Kopf schief. »Hast du so schnell vergessen, mein Kind? Jeder von euch besitzt eine Münze, die die Macht besitzt, euch an den Ort eurer Wahl zu bringen. Begebt euch an einen magischen Ort, nehmt die Münze in die Hand und schließt die Augen. Wenn ihr sie wieder öffnet, werdet ihr dort sein, wo ihr am meisten hingehört.«
    Grace dachte über das gerade Gehörte nach, dann sagte sie leise: »Ich gehöre hierher.«
    Die Alte fixierte Grace mit ihrem einen Auge.
    »Das tust du, Tochter. Das tust du.«
    Dann war die alte Frau verschwunden, und Grace stand allein in dem leeren Gemach.

47
    Travis hätte die letzten Tage für nichts eingetauscht – für gar nichts.
    Nicht, daß er viel getan hätte, aber vielleicht war es gerade das, was diese Zeit so besonders gemacht hatte. Seit dem Augenblick, in dem er durch die Reklametafel gegangen war und Eldh betreten hatte, war er beschäftigt gewesen. Zuerst war er mit Falken nach Kelcior gereist, dann mit Melia und Beltan weiter nach Calavere, dann hatte er die Runenmagie studiert und schließlich Grace und dem Kreis des Schwarzen Dolches geholfen, im Schloß das Mordkomplott aufzudecken. Erst, als er darüber nachgedacht hatte, war ihm aufgefallen, wie beschäftigt er gewesen war und wie schnell die Zeit vergangen war. Valdath war gekommen und gegangen, und nun war es Geldath, den die Bauern den Eismonat nannten. Es war schön, endlich Gelegenheit zum Nichtstun zu haben, einfach nur Mensch zu sein und jeden verstreichenden Augenblick zu genießen.
    Er verbrachte einen großen Teil seiner Zeit mit Spaziergängen durch das Schloß, bei denen er seine Türme und Zinnen erkundete, begab sich in den Garten oder auf den Unteren Burghof. Dort sah er dann Kaufleuten, Dienern, Bauern, Rittern und Adligen zu, die sich an Ziegen, Hühnern und Schafen vorbei ihren Weg durch den halb aufgetauten Schlamm bahnten. Manchmal konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken. Eine Feudalgesellschaft mochte streng nach Klassen unterteilt sein, aber keiner kam umhin, durch den selben Matsch zu laufen.
    Ein paarmal wagte er sich aus den hohen Mauern Calaveres hinaus und besuchte die darunterliegende Stadt, und einmal ging er zur alten tarrasischen Brücke, die den Dimduorn, den

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