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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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leeren Raum mit an den Wänden vermodernden Wandteppichen vorgefunden Staub und Qualm hatten die Bilder fast verblassen lassen, aber Grace hatte mit einiger Anstrengung schlanke Baumstämme und sich windende Zweige ausmachen können. Sie und Travis hatten sich nur angesehen und gewußt, daß Trifkin sie verlassen hatte.
    Aber die Geschehnisse im Großen Saal waren kein Traum gewesen. Wächter hatten Logrens Leiche nach draußen geschleppt und sie außerhalb der Schloßmauern verbrannt. Der Erste Berater von Eredane war nur noch ein Häufchen Asche, aber sein eisernes Herz hing noch immer in der Mitte des Relikts von Malachor – ein Relikt, dessen uralten Zweck sie nun kannten.
    Logren war nicht das einzige Opfer. Grace ließ die Blicke durch das Gemach wandern, aber da waren keine scharfen smaragdgrünen Augen, die sie beobachteten; es würde sie nie wieder geben.
    Die Herrscher hatten bereits ihre Plätze am Ratstisch eingenommen. Diesmal blieben zwei Sitze leer, der Stuhl Malachors und der Stuhl Eredanes. Grace fragte sich, wer die Domäne Eredane wohl nach Emindas Tod beherrschen würde. Sie dachte an ihren Politikunterricht am Kamin zurück, den Aryn ihr erteilt hatte. Beinahe hätte sie gelächelt. Dies schien schon so lange her zu sein, und sie hatte in der Zwischenzeit soviel gelernt.
    Soweit sich Grace erinnerte, hatte Eminda zwei Kinder – eine Tochter und einen Sohn –, aber beide waren noch keine sieben Winter alt, und ihr Ehemann, der das Land seit ihrem Aufbruch zum Rat angeblich regierte, war der allgemeinen Meinung nach ein sabbernder Idiot. Grace wußte, daß keines der Kinder jemals auch nur in die Nähe des Throns ihrer Mutter kommen würde. Diese Domäne steckte in Schwierigkeiten, und wenn die Geschichte der Erde ihr eines beigebracht hatte, dann die Tatsache, daß an solchen Orten immer starke Hände die Kontrolle an sich rissen. Zweifellos würde irgendein Baron Eredanes bereits mit Plänen beschäftigt sein, die Krone in seinen Besitz zu bringen. Würde dieser König aufgeklärter als Eminda sein – oder gar noch unwissender?
    Grace versuchte nicht, über die Antwort auf diese Frage nachzudenken. Sie betrachtete das Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster hineinströmte, und lauschte dem Gesang der Tauben.
    Stille kehrte in das Ratsgemach ein. König Boreas stand ungelenk auf. Er sah so massig und eindrucksvoll wie immer aus, aber unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und der Rand eines prächtigen Blutergusses zog sich von seinem Bart die Wange hinauf.
    Vom ersten Augenblick an hatte Boreas Grace Furcht eingeflößt. Der König von Calavan war ihr stets so unbezwingbar erschienen, so vollkommen. Jetzt wußte sie, daß das nicht stimmte. Boreas konnte Schmerzen erleiden wie jeder andere auch. Das hätte den Respekt, den sie für ihn empfand, eigentlich schmälern müssen, aber das tat es nicht. Statt dessen machte es ihr Boreas nur noch sympathischer.
    »Wieder hat Falken Schwarzhand die Bitte vorgetragen, vor dem Rat der Könige zu sprechen«, sagte Boreas ohne Einleitung mit seiner dröhnenden Stimme. »Seine Bitte wurde ihm gewährt.«
    Ein Murmeln ertönte, aber diesmal war es keine Verachtung, sondern gespannte Erwartung. Falken stand in der Nähe des Ratstisches. Boreas nickte ihm zu, und der Barde kam näher. Er trug dieselbe von der Reise abgenutzte Kleidung wie an dem Tag, an dem Grace ihn kennengelernt hatte: ein verblichenes grünes Wams und einen Umhang von der Farbe tiefen Wassers der von einer Silberspange gehalten wurde.
    Für gewöhnlich fand man immer Melia in Falkens Gesellschaft, aber an diesem Morgen war die Lady nicht anwesend. Sie pflegte Beltan, ihren Ritter-Hüter. In der vergangenen Nacht war er mit Hilfe mehrerer Wächter in Melias Gemach getragen worden. Melias Gesicht war sehr angespannt gewesen, und obwohl Grace das eigentlich für unmöglich gehalten hätte, war ihr in diesem Augenblick klargeworden, daß die majestätische Frau Angst hatte. Das hatte Grace überrascht. Melia war immer so kühl erschienen, so abweisend.
    Vielleicht sind ja deine Instinkte nicht immer so zutreffend, wie du glaubst, Grace. Vielleicht hast du sie falsch eingeschätzt.
    Grace hatte Beltan untersucht. Er lebte und war wach, aber er war noch immer ernsthaft verletzt. Vor allem die Wunde in der Seite bereitete Grace Kopfzerbrechen, denn sie hatte das Bauchfell durchstoßen. Schon auf der Erde war ein Fall von Peritonitis ernst zu nehmen. Auf Eldh würde er tödlich verlaufen.

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