Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
war es dem Ungeheuer irgendwie gelungen, zu ihrem Fenster herauf und in ihr Gemach zu kriechen. Sie schloß das Fenster wieder.
    Und jetzt? Es war noch früh, und die Mägde würden erst in einer guten Stunde mit dem Frühstück vorbeikommen. Sie konnte sich genausogut anziehen. Obwohl die Zeit weiß Gott nicht drängte. Es war der erste Tag des Monats Valdath. Der Rat der Könige würde an diesem Vormittag zusammentreten. Die Adligen im Schloß würden viel zu beschäftigt sein, um mit ihr zu reden. Aber wenn sie Glück hatte, konnte sie sich vielleicht mit Travis Wilder unterhalten.
    Andererseits waren ihre bisherigen Begegnungen mit dem anderen Menschen von der Erde allesamt katastrophal verlaufen. Erst hatte sie ihn beleidigt, dann hatte sie ihn in Todesgefahr gebracht. Ihre Erfahrung riet ihr, ihn in Ruhe zu lassen. Aber sie wollte mehr über das Symbol erfahren, das vor ihren Augen in die Tür geschnitzt worden war – das Symbol des Rabenkults, wie er gesagt hatte. Und über seine Gespräche mit Bruder Cy und dem Mädchen mit den violetten Augen, dem Kind Samanda.
    Grace ging zu dem Stuhl, auf dem ihre Kleider aufgehäuft waren. Wenigstens hatte Beltan den Anstand gehabt, ihre Gewänder aus dem Schrank zu nehmen, bevor er die Leiche darin untergebracht hatte. Sie suchte ein gelbes Kleid aus, daß sie bisher noch nie getragen hatte. Sie nahm es teilweise, weil die Farbe hell und fröhlich war, doch hauptsächlich, weil es ganz obenauf lag.
    Sie war immer noch dabei, ihr Gewand zu richten – eine scheinbar endlos dauernde Aufgabe –, als sie Stimmen vor ihrer Tür hörte. Eine war sanft und melodisch, die andere ein ernster Bariton. Die Stimmen verstummten, dann flog die Tür auf, und ein blauer Wirbelwind flog in den Raum.
    »Ach, Grace, du tust mir ja so leid. Wenn ich doch nur davon gewußt hätte! Bitte sag mir, daß es dir gutgeht!«
    Aryns hübsches Gesicht war voller Sorge, ihre kornblumenblauen Augen aufgeregt. Sie lief zu Grace und nahm sie in die halbe Umarmung ihres linken Arms. Durge stand im Türrahmen, und seine sonst so steinerne Miene zeigte eine gewisse Überraschung.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Lady Grace«, sagte er. »Ich hätte klopfen sollen, bevor Ihre Hoheit die Tür öffnete.«
    Grace nahm ihre Freundin in den Arm …
    Jawohl, meine Freundin. Ist das so unmöglich?
     … und schenkte dem Ritter über Aryns Schulter hinweg ein trockenes Lächeln.
    »Das ist schon in Ordnung, Durge. Ihr solltet mich ja auch vor Ungeheuern beschützen, nicht vor Baronessen. Ihr habt schon mehr getan, als ich je verlangen könnte. Ich bin Euch sehr verbunden. Vielen Dank.«
    Der Ritter verbeugte sich steif.
    Grace schob Aryn sanft von sich. Sie führte die Baronesse zur Fensterbank und erzählte ihr in ruhigen Worten, was sich in der vergangenen Nacht ereignet hatte. Aryn wurde beim Zuhören immer blasser, und sie nahm Graces Hand.
    »Du warst so tapfer«, sagte die Baronesse, als Grace zu Ende erzählt hatte. »Ich bezweifle, daß ich so wie du hätte handeln können.«
    Graces Blick fiel auf das blaue Tuch, das Aryns Schulter und ihren verkrüppelten Arm verhüllte. Nein. Aryn war die Tapfere.
    »Aber ich verstehe es immer noch nicht. Dieses Ungeheuer ist doch bestimmt geschickt worden, um dich zu töten.« Die Baronesse biß sich auf die Unterlippe. »Aber warum?«
    Das war eine gute Frage. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich gehe davon aus, daß es etwas mit meinem Spionieren für den König zu tun hat.«
    Nun seufzte Aryn. »Das mag sein. Es ist zwar kaum üblich, einen Mörder auf jemanden anzusetzen, der am Hof zuviel in Erfahrung gebracht hat, aber es ist doch schon vorgekommen. Obwohl ich so etwas eher auf Schloß Spardis in Perridon erwarten würde als hier auf Calavere.« Aryns Blick huschte zu dem geschlossenen Schrank. »Aber selbst auf Spardis, wo allerlei Gaunerei an der Tagesordnung ist, haben sie bestimmt noch keinen Mörder gesehen, wie du ihn beschreibst. Wer hätte solch eine Kreatur senden können, um dir zu schaden, Grace?«
    »Ich glaube, daß ich Euch das sagen kann.«
    Der Barde Falken betrat das Gemach, gefolgt von Lady Melia, dem Ritter Beltan und Travis Wilder, der noch immer das unförmige Wams vom Vortag trug. Grace stand auf und sah Durge fragend an, der neben der offenen Tür stand.
    »Keine Ungeheuer, Mylady«, sagte er. »Nur Falken Schwarzhand und seine Begleiter.«
    Sie schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Ja, natürlich, Durge. Vielen Dank.« Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher