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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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der kleinere Mann. »Ihr wißt doch genau, wie schwierig es für mich ist, das Schloß zu verlassen.«
    »Das ist dein Problem«, sagte der andere. Er sprach leise und mürrisch.
    Er verstellt seine Stimme. Der andere soll nicht wissen, wer er ist.
    »Nun ja, jetzt bin ich hier«, sagte der barhäuptige Mann. Seine Stimme war wiederum schwer zu hören, weil er mit dem Rücken zu ihr stand und weil der Wind zwischen den Steinen hindurchfuhr.
    »Ist alles vorbereitet?« fragte der größere.
    »Schon bald.«
    »Was soll das heißen, bald?« Der Vermummte machte einen Schritt auf den anderen zu. Seine Stimme konnte seine Wut nicht verbergen. »Heute nacht sollte alles bereit sein. So haben wir es abgemacht.«
    »Ich habe meinen Verbündeten Zeichen hinterlassen, aber wenn ich allein bin, fehlt mir oft die Zeit. Und es gibt im Schloß ein paar neugierige Leute. Ich habe mein Möglichstes getan.«
    »Dann ist dein Möglichstes nicht genug. Der Rat kann jederzeit wieder abstimmen. Sie müssen auf jeden Fall in unserem Sinne entscheiden.«
    Grace bemühte sich, näher heranzukommen, doch es gelang ihr nicht. Der Wind schien sie zurückzuhalten. Vielleicht war es auch eine Macht, die in den riesigen Steinen lag.
    »Sie werden ganz bestimmt in unserem Sinne entscheiden«, sagte der kleinere Mann. »Schon bald werden nur noch sechs Herrscher am Ratstisch sitzen, nicht sieben. Wer von ihnen fehlen wird, wissen wir erst, wenn unser Augenblick gekommen ist. Jedenfalls wird es kein Patt mehr geben.« Er stemmte selbstbewußt die Hände in die Seiten. »Also macht Euch keine Sorgen.«
    »Kleiner Diener!« zischte der Vermummte. »Wie kannst du es wagen, mir zu sagen, was ich tun und lassen soll?«
    Es geschah so schnell, daß Grace es fast nicht gesehen hätte. Der größere Mann zückte aus den Falten seines Umhangs einen Dolch. Die Klinge blitzte im Mondlicht auf, der kleinere Mann taumelte zurück, und die Pferde wieherten ängstlich. Blut spritzte auf den Boden, wie rote Beeren im Schnee.
    Der barhäuptige Mann hielt sich seine Seite. Zwischen seinen Fingern quoll rotes Blut hervor. »Ihr … Ihr habt mich gestochen!« Seine Stimme war jetzt alles andere als selbstsicher.
    »Nur ein kleiner Pikser, um dich zu erinnern, wer hier der Herr ist«, sagte der Vermummte. »Und ich verspreche dir, wenn du dich noch einmal so dreist benimmst, wird der Stich sehr viel tiefer gehen. Und glaube mir, daß ich weiß, wo ich hinstechen muß. Jetzt scher dich zurück zum Schloß und bring zu Ende, was wir begonnen haben.«
    Der kleinere Mann deutete eine Verbeugung an, wobei er sich immer noch seine Wunde hielt. Währenddessen hob der Vermummte seinen Kopf, sah an ihm vorbei …
     … und starrte Grace unmittelbar an. Er neigte den Kopf zur Seite, fast so, als würde er etwas in der kalten Luft sehen.
    Kälte und Panik wurden eins. Grace schlug nach der Luft, aber sie konnte sie nicht packen, konnte sich nicht rühren. Nein, es war unmöglich. Er konnte sie nicht sehen.
    Der Vermummte trat einen Schritt vor.
    Nein!
    Irgendwo in weiter Ferne ließen taube Hände etwas fallen, dann fiel Grace selbst. Alles verschwand im Handumdrehen: die Männer, die Steinsäulen, die Mondsichel. Sie machten einem gewaltigen dunklen Abgrund Platz, in den sie stürzte. Sie fiel hinab, in einen See der Finsternis, aus dem sie nie wieder auftauchen würde …
    »Lady Grace!«
    Grace riß die Augen auf und schnappte nach Luft, als wäre sie gerade fast ertrunken. Ivalaine stand über ihr und sah sie kühl und teilnahmslos an. Tressa kniete besorgt neben Graces Stuhl. Aryn ging hinter den beiden auf und ab, auf ihrem tränenverschmierten Gesicht war eine Mischung aus Furcht und Erleichterung zu sehen.
    Tressa schnalzte mit der Zunge, während sie Graces Hände rieb. »Eure Haut ist wie Eis, Kind.«
    Das Sprechen fiel ihr schwer, aber irgendwie bekam Grace die Worte heraus. »Was … was ist passiert?«
    Ein Schatten huschte über Ivalaines Gesicht. »Wir hätten Euch fast verloren, Schwester. Dreimal habe ich Euch gerufen. Wenn ihr beim letzten Mal nicht zurückgekommen wärt, so wärt Ihr überhaupt nicht mehr zurückgekehrt. Ihr habt Glück, daß Lady Tressa und Lady Aryn Euch besuchten, um Euch zu fragen, ob Ihr während Lady Kyrenes Abwesenheit an ihrem Unterricht teilnehmen wollt.«
    Grace zitterte, und das Leben kehrte heiß und kribbelnd in ihre Glieder zurück. »Ich verstehe das nicht«, sagte sie mit klappernden Zähnen.
    Ivalaine hielt etwas hoch:

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