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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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unerfindlichen Grund fragte sie sich, ob er wohl versuchen würde, sie zu küssen, und ob sie sich dann wohl wehren würde.
    »Alerain und ich werden morgen vor dem Rat unseren Bericht ablegen«, sagte der König. »Ihr werdet dabei sein, Lady Grace, und Euch für mich umhören, was andere über Calavan sagen, während mein Seneschall und ich reden.«
    Ihr Blick wanderte über seine mächtige Schulter zu dem bedeckten Mörser. Wäre es schwierig gewesen, Boreas ein Glas Wein anzubieten und unbemerkt eine Prise der Kräuter hineinzumischen? Nein, trotz des Unterrichts bei Kyrene war sie keine Jägerin. Sie zwang sich dazu, Boreas’ Blick zu erwidern und stimmte zu.
    Glücklicherweise stellte sich Boreas’ Aufgabe als einfacher heraus, als sie befürchtet hatte. Da immer noch angenommen wurde, daß sie sich mit dem König überworfen hatte, standen die Adligen fast schon Schlange, um neben ihr auf der Bank im Ratssaal zu sitzen und ihr ins Ohr zu flüstern.
    Boreas war ein Kriegstreiber, sagten sie. Er war die einzige Hoffnung für alle Domänen. Er war verrückt und wollte sie alle vernichten. Eredane würde Calavan niemals zur Seite stehen. Doch, Eredane wartete nur darauf, daß Calavan Konzessionen machte und würde seine Stimme im letzten Moment ändern. Sogar Perridon würde Calavan im Stich lassen und ins andere Lager überlaufen. Ganz im Gegenteil, niemand war Calavan gegenüber loyaler als Perridon, und sie hatten sogar Embarr fast schon überredet, mit Boreas zu stimmen, aber König Sorrin war irre und tanzte nachts nackt und mit dem Schwert in der Hand in seinem Gemach, wo er schreckliche Blut- und Feuerrituale abhielt, um die an ihm zehrende Krankheit aufzuhalten.
    Es dauerte nicht lange, bis das Flüstern sich in Graces Verstand wie ein zuckender Knoten grauer Schlangen verwickelt hatte.
    Eminda war insgeheim in Boreas verliebt. Ach was, Boreas machte sich gar nichts aus Frauen, war froh, daß Königin Narena tot war, und verbrachte die Nächte in seinem Gemach damit, sich über junge Soldaten herzumachen. Und außerdem hatte Boreas seinen eigenen Bruder Beldreas umgebracht, um sich den Thron anzueignen, und nun hatte Boreas’ Bastard Beltan dasselbe vor. Und hatte sie schon gehört, daß Teravian – sein ehelicher Sohn, der gerade am Hof von Toloria erzogen wurde – der eigentliche Grund für Ivalaines Stimmenthaltung war? Ja, das wußte doch jeder, daß die Königin ihn verführt hatte, obwohl er erst sechzehn Winter zählte. Und nun plante sie, Boreas vor dem Rat scheitern zu lassen und Teravian als ihre Marionette auf den Thron von Calavan zu setzen.
    Ein Klopfen an der Tür riß Grace aus ihren Gedanken, und sie hätte sich beinahe mit dem Wein bekleckert. »Herein«, sagte sie und lächelte, als eine der wenigen Adligen, die ihr immer willkommen waren, hereinkam.
    »Grace, es ist so schön, dich zu sehen«, sagte Aryn.
    Grace betrachtete ihre Freundin genau. Die Baronesse sah irgendwie älter aus, reifer. Sie trug ein dunkelblaues Gewand, das Grace noch nie gesehen hatte. Das Oberteil schmiegte sich eng um ihre schlanke Taille, und der Ausschnitt war ausgesprochen freizügig. Ein kleiner Umhang aus Kaninchenfell lag über ihrer rechten Schulter, so als hätte sie ihn wie zufällig darüber geworfen und nicht, um den verkrüppelten Arm darunter zu verbergen.
    »Ich hatte so ein Gefühl, daß ich dich hier treffen würde.«
    Grace runzelte die Stirn. »Ach ja? Bringt Tressa dir etwas bei, wovon du mir noch nichts erzählt hast?«
    Rosen blühten auf Aryns weißen Wangen. »So habe ich das nicht gemeint, Grace. Es war nur so ein Gefühl, mehr nicht.«
    Grace schaute auf ihre eigenen Hände, ihre eigenen Finger, die den Zinnbecher hielten. »Langsam glaube ich, daß es so etwas wie nur ein Gefühl gar nicht gibt.«
    Aryn blickte nervös zur Tür und schloß sie. Als sie sich wieder umdrehte, war ihr Gesicht wieder offen und ehrlich, war es wieder neunzehn Jahre alt.
    »Mir geht es genauso, Grace. Manchmal weiß ich einfach gar nicht mehr, was ich denken soll.«
    Sie setzten sich im verblassenden Tageslicht auf die Fensterbank.
    »Ich weiß nicht, ob ich das noch länger ertrage, Grace. Tressa sagt mir, was ich tun muß, aber sie erklärt mir nie, warum ich etwas tun muß. Es macht mich wahnsinnig. Aber ich tue es trotzdem, weil ich es einfach wissen will, weil ich es wissen muß, und manchmal … manchmal …«
    Grace nickte langsam. »Manchmal verstehst du es dann tatsächlich.«
    Aryn ergriff

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