Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige
Rune aus, erweckt man dadurch angeblich auch ihre Macht. Wenn ich sie richtig gesprochen habe, wird niemand auf der anderen Türseite hören können, was hier gesprochen wird.«
Grace und Aryn nickten – obwohl Grace nur wenig über Runen wußte, ergaben seine Worte für sie einen Sinn –, aber jeder der beiden Ritter runzelte die Stirn.
»Wenn das die Rune des Schweigens war«, sagte Beltan, »wie kommt es dann, daß ich deine Worte hören kann?«
Travis kratzte sich am Kopf, dann zuckte er mit den Schultern. »Das ist was Magisches.«
Der blonde Ritter schnaubte. »Offensichtlich.«
»Vielleicht hätte Travis nichts dagegen einzuwenden, wenn man sein Geschick im Runensprechen einem Test unterziehen würde«, meinte Durge. »Schließlich ist er ein Lehrling.«
Ein schnelles Experiment bestätigte, daß Travis’ Magie wie vorgesehen funktionierte. Grace und Beltan stellten sich draußen vor die geschlossene Tür, konnten aber nichts hören, obwohl die anderen mit lauter Stimme sprachen.
Beltan legte Travis die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, daß ich an dir gezweifelt habe.«
»Das braucht es nicht.« Travis schaute auf seine Hände herunter und schwieg danach eine Zeitlang.
Jetzt, wo sie wußten, daß man sie nicht belauschen konnte, war es Zeit, zur Sache zu kommen.
»Ich habe eine weitere markierte Tür gefunden«, sagte Aryn ohne Vorrede.
Alle wandten ihre Aufmerksamkeit der Baronesse zu. Das Wissen, welche Art von Räumen mit der Rune des Raben markiert worden waren, hatte ihre Suche beträchtlich vereinfacht. In der vorherigen Nacht hatte Aryn ihnen auf den Etagenplänen des Schlosses gezeigt, wo die einzelnen Herrscher schliefen. Alle fünf hatten zugestimmt, an den Räumen vorbeizugehen – allein und zu unterschiedlichen Zeiten –, die in der Nähe der Gemächer der verschiedenen Könige und Königinnen lagen, und nach Zeichen des Rabenkults Ausschau zu halten.
Aryn zog eine Rolle Pergament aus einer Ledertasche und breitete sie mit Beltans Hilfe auf einem Tisch aus, der mehr als nur etwas nach Steuerbord krängte. Sie legte den Finger auf den Plan.
»Hier. Dieser Raum ist nur vom Unteren Burghof zu erreichen. Er ist als Getreidelager vorgesehen. Dort befindet sich ein Abfluß, der in ein Steinrohr mündet, das hierher verläuft.« Sie schaute auf, um die anderen zu betrachten. »Direkt an Königin Ivalaines Gemächern vorbei.«
Grace lief ein Schauder über den Rücken.
»Ausgezeichnete Arbeit, Mylady«, sagte Durge. »Ich fürchte, ich hatte nicht soviel Glück. Nicht, daß ich etwas anderes erwartet hätte.«
Aryn sah ihn verwirrt an. »Warum?«
Der Ritter blickte sie nur mit seinen ernsten braunen Augen an.
Die Baronesse war nicht die einzige, die eine markierte Tür gefunden hatte. Mit Ausnahme von Grace, die zwischen der Ratssitzung und dem Unterricht bei Kyrene kaum ein paar Minuten für sich gehabt hatte, konnten sowohl Beltan wie auch Travis einen Erfolg vorweisen. Ein Raum befand sich im Keller, zwar zwei Etagen unter König Lysandirs Gemach, aber sie teilten sich einen Ventilationsschacht. Der andere war das Gemach eines niederen Adligen, das sich direkt über König Kylars Gemach befand. Beltan hatte den Grafen befragt, dessen Quartier es war, und er war davon überzeugt, daß der Mann nichts über das Symbol wußte.
Während Grace Beltan zuhörte, beschlich sie ein Verdacht. Warum nur hatte man keine markierte Tür in der Nähe von Boreas’ Gemächern gefunden?
Hör auf, hier wilde Schlüsse zu ziehen, Grace. In der Nähe von Emindas Gemach hat auch keiner was gefunden. Der Mann des Raben ist noch nicht fertig. Das ist die einzige Erklärung.
Mit einem Stück Holzkohle markierte Aryn den letzten der neuen Räume auf der Karte. »Ich glaube, für den ersten Tag als Verschwörer haben wir eine Menge in Erfahrung gebracht.«
Beltan studierte die schwarzen Zeichen. »Tatsächlich? Dabei dachte ich gerade, die Dinge sind noch verwirrender als zuvor. Jetzt muß man sich um fünf Räume Sorgen machen, statt um zwei.« Er runzelte die Stirn. »Und warum markieren sie überhaupt so viele Räume? Grace sagte, sie wollten nur einen der Herrscher ermorden.«
»Sie markieren immer die Orte, die sie angreifen wollen«, meinte Travis leise.
Alle Blicke richteten sich auf ihn. Die Augen hinter der Brille schimmerten feucht.
Grace schluckte, dann brach sie das Schweigen. »Der Verschwörer, den ich belauschte, sagte, er wüßte noch nicht, welcher Herrscher das Ziel
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