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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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anderen festhielt.
    Travis kratzte seinen Bart. »Wir müssen einfach die Augen aufhalten.«
    Grace schwieg. Sie wußte, wie der wahre Plan aussah, derjenige, den Travis nicht in Worte faßte. Ja, sie würden in der Umgebung von Boreas’ Gemächern nach den Zeichen des Raben Ausschau halten. Und wenn sie eins fanden, wenn er wie die anderen auch als mögliches Mordopfer ausersehen war, dann würden sie wissen, daß sie sich unbeschadet an ihn wenden und um Hilfe bitten konnten. Und wenn nicht …
    Ihre Finger tasteten nach dem Beutel an ihrem Gürtel und fühlten durch das Leder den kleinen Holzstier, der darin steckte.
    »Kommt«, sagte sie. »Es ist Zeit, mit dem Spionieren anzufangen.«

22
    Am darauffolgenden Nachmittag trafen sich Grace und Aryn zu einem Spaziergang im Oberen Burghof. Die Ratsversammlung hatte heute früher geendet, da König Kylar als letzter Herrscher mit seinem Bericht abgeschlossen hatte. Der Rat würde sich nun drei Tage lang vertagen, bevor die zweite – und endgültige – Abstimmung abgehalten wurde. Da Aryns und Graces Unterricht erst am Abend stattfand und der Kreis erst in der Nacht zusammentreten würde, war ihnen eine kurze Verschnaufpause vergönnt.
    Es war der zwanzigste Tag im Monat Valdath, was Graces Einschätzung nach dem Dezember auf der Erde entsprach. Das Wetter war seit mehreren Tagen klar, hell und bitterkalt gewesen. Ein Eimer Wasser, den man draußen hinstellte, gefror in Minuten zu Eis, und diejenigen, die gezwungen waren, den Elementen zu trotzen, verhüllten vorher jeden Quadratzentimeter Haut mit Umhängen, Kapuzen, Handschuhen und derben Wolldecken.
    Doch im Gegensatz zu den letzten Tagen war der Morgen bewölkt gewesen, und am Nachmittag war es zwar nicht unbedingt warm, aber zumindest gefror die Haut nicht in dem Augenblick, in dem man sie der Luft preisgab. Gerade als Grace über einen Spaziergang nachgedacht hatte, hatte es an der Tür ihres Gemachs geklopft. Es war Aryn gewesen, die mit einem schweren Gewand und einem Umhang bekleidet war.
    »Ich glaube, wir müssen mal raus«, hatte die Baronesse gesagt.
    Grace hatte dem nicht widersprochen. Die Dinge geschahen nun so schnell, und sie hatte kaum Zeit gehabt, wie gewohnt mit ihrer Freundin spazierenzugehen und sich dabei zu unterhalten, und zwar nicht über Könige oder Hexen oder Mörder, sondern über die kleinen alltäglichen Dinge.
    Ihre Stiefel knirschten auf dem gefrorenen Boden des Burghofs. Grace holte tief Luft. Die kalte Luft zwickte ihr in die Nasenlöcher, aber das war ihr egal. Sie hatte den ranzigen Sud satt, der innerhalb des Schlosses als Luft galt und der ihren Verstand benommen machte. Die scharfe Luft durchschnitt den Rauch wie ein Skalpell und befreite ihre Gedanken.
    Sie stellten nicht die einzigen Spaziergänger dar, die die – relativ gesehen – mildere Witterung herausgelockt hatte. Andere Paare schlenderten über den Oberen Burghof, durch den Garten oder durch das Tor zum Unteren Hof, wo es auf dem Markt trotz der Kälte geschäftig zuging. In der Nähe ging ein Paar vorbei, ein Graf und seine Dame, beide hübsch anzusehen, wenn auch nur aufgrund ihrer Jugend. Grace erkannte sie. Es handelte sich um unbedeutende Adlige von Boreas’ Hof, die vor kurzem geheiratet hatten.
    Aryns Seufzer hinterließ ein Wölkchen in der Luft. Grace schaute ihre Freundin besorgt an.
    »Was glaubst du, Grace, wann wirst du heiraten?«
    Die Frage traf Grace wie ein Schlag. Aryn streckte die Hand aus, um sie zu stützen.
    »Grace, was ist?«
    Sie schnappte nach Luft. Sie hatte bei dieser Frage keine Hintergedanken, Grace. Das hier ist eine Welt, auf der alle adligen Frauen heiraten, ob sie wollen oder nicht. Es ist Politik, nicht Liebe, das ist alles.
    »Ich glaube nicht, daß ich je heiraten werde, Aryn«, erwiderte sie.
    Der Ausdruck der Baronesse war abwechselnd überrascht und nachdenklich, als wäre das eine Möglichkeit, die sie nie in Betracht gezogen hatte, dann seufzte sie wieder. »König Boreas war mit dem Rat beschäftigt, aber ich nehme an, daß er bei Anbruch des Frühlings für mich einen Ehemann suchen wird. Falls es je wieder Frühling wird.«
    Grace musterte ihre Freundin. »Wen, hoffst du, wird der König für dich als Ehemann aussuchen?«
    Aryns Antwort war automatisch. »Einen guten Mann, der mir hilft, meine Baronie mit starker, gerechter Hand zu beherrschen.«
    »Das meinte ich nicht.«
    »Es gibt keinen, dem ich heimlich Liebe entgegenbringe, Grace. Hast du das

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