Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
»und das ist nicht leicht. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, Eure Tätigkeit als Spionin könnte tatsächlich nützliche Informationen zutage fördern.«
    Sie starrte ihn an. »Was?«
    Boreas lachte. »Jetzt hört aber auf, Lady Grace. Ihr habt doch sicher nicht geglaubt, die einzige zu sein, die ein Geheimnis bewahren kann? Ich hatte die Hoffnung, daß Ihr, falls Ihr Euch mit Eurer Herumschnüffelei genug zum Ärgernis machen würdet, jemanden unabsichtlich dazu zwingt, sich preiszugeben. Sticht man einen Mann in eine wunde Stelle, zuckt er aller Wahrscheinlichkeit zusammen. Aber wie sich herausgestellt hat, seid Ihr eine erfolgreichere Spionin, als ich gedacht hätte.«
    Grace wußte nicht, was sie sagen sollte. Die ganze Zeit hatte sie umsonst spioniert? Nur daß es nicht umsonst gewesen war …
    Der König nahm einen grimmigen Gesichtsausdruck an. »Ich muß sagen, Mylady, das mit dem Rabenkult ist eine Neuigkeit. Ich wußte, daß die Mysterien des Raben in Calavan Fuß gefaßt hatten. Ich wußte aber nicht, daß der Kult mit dem Fahlen König verbündet ist.«
    »Das ist er.« Grace atmete tief durch. Es war Zeit, ihm den Rest zu erzählen. Alles. Sein Plan hatte funktioniert – ihr Spionieren hatte jemanden zum Handeln gezwungen. »Und da ist noch mehr, Euer Majestät. Ihr müßt wissen, ich wurde …«
    Er unterbrach sie mit einem Fingerzeig. »Nein, Mylady, ich möchte nicht alles wissen. Ein Spion weiß, was er berichten muß und was nicht. Zuviel Wissen kann eine Behinderung sein und keine Hilfe. Ich weiß alles, was ich wissen muß. Ich werde dem Rabenkult ein Ende bereiten, genau wie dem Komplott in meinem Schloß.«
    Boreas’ Augen funkelten, in seinen Worten lag Stahl. Das war der König, den Grace kannte.
    »Und jetzt«, fuhr Boreas fort, und seine Stimme schwoll zu einem Brüllen an, »alle raus aus meinem Gemach!«
    Grace sprang zurück, dann machte sie einen flüchtigen Knicks. Die anderen schlossen sich ihrem Beispiel an mit Hofknicksen und Verbeugungen – selbst Lady Melia –, dann eilten sie aus dem Raum und überließen den König seinen Hunden und seiner Privatsphäre.
    Die Tür fiel donnernd ins Schloß.
    »Und jetzt?« fragte Travis.
    Darauf wußte Grace keine Antwort. Sie hatte nicht weiter geplant, als Boreas über das Mordkomplott zu informieren. Es hatte den Anschein, als hätte der König die Angelegenheit selbst in die Hand genommen. Vielleicht war das das Ende – vielleicht war sie fertig mit all dem.
    Melia tippte sich nachdenklich gegen die Wange. »Frühstück, würde ich sagen. Sollen wir alle in mein Gemach gehen?«
    Die anderen willigten ein, und Beltans Zustimmung kam ganz besonders von Herzen. Zusammen gingen die Sieben den Korridor entlang. Es war schon seltsam, daß Grace hier mehr Kameradschaft finden sollte, als sie jemals auf ihrer eigenen Welt erfahren hatte. Es war seltsam, aber es fühlte sich trotzdem richtig an.
    Ihr Weg führte sie an der Eingangshalle des Bergfrieds vorbei. Sie durchquerten sie und waren fast schon auf der anderen Seite angelangt, als die großen Türen aufschwangen. Ein Schwall Winterluft zupfte an Graces Gewand. Die anderen griffen nach Kleidern, Umhängen oder Wämsern, dann schlossen sich die Türen wieder, und der Sturm versiegte. Grace richtete ihr Gewand, und als sie aufschaute, fiel ihr Blick auf eine bunte Schar von seltsamen Figuren, die in die Empfangshalle marschierten.
    Ja, Figuren. Genauso sehen sie aus. Figuren aus einem Theaterstück.
    Sie waren bekleidet mit ausgefallenen Kostümen. In den Haaren der Frauen steckten Blätter. Die Männer trugen zottelige Hosen. Ein alter Mann in Weiß streute getrocknete Blüten wie Schnee auf den Boden.
    Aryn runzelte die Stirn. »Oje, sie kommen zu früh. Wo sollen wir sie unterbringen?«
    »Zu früh?« Grace sah ihre Freundin an. »Du meinst, du hast sie erwartet?«
    Die Baronesse nickte. »Das sind Schauspieler. König Boreas hat sie angeheuert. Ihre Truppe wird beim Wintersonnenwendfest auftreten. Aber das ist erst in einer Woche, und da sind sie schon.«
    Schauspieler? Grace beobachtete, wie die seltsame Truppe vorbeizog. Sie bogen um eine Ecke, und dabei fiel ihr unter ihnen eine Gestalt auf, die sie bis jetzt nicht bemerkt hatte. Er war ein winziger Mann, kaum größer als anderthalb Meter, der ganz in Gelb und Grün gekleidet war. Der Mann zeigte nicht die gewöhnlichen Anzeichen für Achondroplasie und war gutproportioniert. Vermutlich handelte es sich dann um von einer

Weitere Kostenlose Bücher