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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Worten?
    »Es ist mein Bruder, wegen dem ich zu Euch gekommen bin.« Das Lächeln verschwand. »Er ist krank, Mylady, schrecklich krank, und Vayla sagt, daß sie ihm nicht mehr helfen kann. Ich hörte … ich hörte, daß Ihr eine Heilerin seid. Und Ihr habt bei der Hexenkönigin von Toloria gelernt. Ich weiß das … ich habe euch zusammen gesehen.«
    Das versetzte Grace den nächsten Schock.
    »Bitte, Mylady.« Adira schluchzte. Sie kniete und ergriff den Saum von Graces Gewand. »Bitte, werdet Ihr kommen und uns helfen?«
    Grace blickte auf Adira herunter. Da war nicht mehr die geringste Spur von der temperamentvollen jungen Frau zu sehen, die den Wunsch geäußert hatte, eine Hexe zu werden. Zu ihren Füßen kniete ein verängstigtes Kind.
    Sie kann kaum älter als siebzehn sein, Grace. Und sie hat Angst. Hilf ihr. Graces Unbehagen verschwand. Sie wußte, was sie zu tun hatte – das wußte sie immer, wenn jemand im Sterben lag. Der Wollumhang lag noch immer auf dem Stuhl, wo sie ihn zuvor hingeworfen hatte; das Feuer wärmte ihn, als hätte sie gewußt, daß sie ihn brauchen würde. Sie warf ihn sich über die Schultern.
    »Gehen wir«, verkündete sie.
    Zehn Minuten später blieben sie im kalten Schlamm des Unteren Burghofs stehen. Vor ihnen öffnete sich der schattenverhüllte Eingang des Torhauses, dahinter schlossen sich die Tore Calaveres an. Grace sah Adira verwirrt an.
    »Mein Bruder liegt in unserem Haus, unten in der Stadt.«
    In Gedanken versetzte sich Grace einen Tritt. Durch die Dringlichkeit der Situation war ihr niemals in den Sinn gekommen, sich nach dem Aufenthaltsort von Adiras Bruder zu erkundigen. Sie hatte angenommen, er hielte sich irgendwo im Schloß auf.
    Die junge Frau zupfte an ihrem Umhang. »Kommt, Mylady. Wir müssen uns beeilen, wenn Ihr vor dem Schließen der Tore zurück sein wollt.«
    Adiras Tränen waren getrocknet, das scharfe Tempo, das sie vorgelegt hatte, hatte ihre Wangen gerötet. Ihre Furcht schien verschwunden zu sein. Vielleicht hatte die Magd ein paar eigene Tricks gelernt.
    Grace nickte ruckartig. Was tat sie da nur? Aber es blieb keine Zeit, sich eine Antwort auszudenken, als Adira sie in den dunklen Tunnel führte. Sie passierten zwei Wächter, die sich verbeugten, als Grace an ihnen vorbeiging, dann blieben die Schloßmauern hinter ihnen zurück, und sie gingen den zerfurchten, ungepflasterten Weg entlang, der sich an dem hohen Hügel entlangschlängelte, auf dem Calavere thronte. Auf einem besonders steilen Stück wäre Grace beinahe gestürzt, dann umrundeten sie eine scharfe Biegung, und die Stadt kam in Sicht.
    Die blauen Rauchschwaden, die in der Luft hingen, machten es schwer, ihre genaue Größe zu bestimmen. Grace schätzte, daß es sich etwa um fünfhundert Gebäude handelte, von denen einige wenige aus Stein gebaut und mit Schieferdächern ausgestattet waren, während die meisten strohgedeckte Holzkonstruktionen darstellten; schätzungsweise lebten hier zweitausend Menschen. Für eine Stadt, die man mit dem Sitz der mächtigsten aller Domänen in Verbindung brachte, machte sie nicht viel her. Andererseits wußte Grace, daß dies ein Land der Schlösser und Lehngüter war und nicht der Städte und Straßen. Die meisten Menschen lebten über das Land verstreut in kleinen Dörfern, und die meisten von ihnen starben, ohne jemals weiter als zehn Meilen von dem Ort ihrer Geburt gereist zu sein. Nur wenige lebten in den Städten, die man im Umkreis der Burgen der Lords und Ritter und Barone gegründet hatte oder die an vielbereisten Kreuzungen wie Pilze emporschossen. Sie waren Handelsmärkte und religiöse Zentren, das war alles.
    »Bitte, Mylady. Wir müssen uns beeilen. Bitte.«
    In Adiras rundes Gesicht stand wieder Dringlichkeit geschrieben. Vielleicht war ihre Angst doch nicht vollständig vorgetäuscht. Grace folgte der Dienstmagd.
    Sie überquerten eine schmale Brücke über einen Bach, der den Hügel hinunterplätscherte, dann betraten sie die Stadt. Grace würgte und schlug die Hand vor den Mund. Sie hatte geglaubt, sich an die Gerüche dieser Welt gewöhnt zu haben, aber da hatte sie sich geirrt. An das hier kamen weder die Gerüche der Notaufnahme noch des Schlosses auch nur annähernd heran.
    »Kommt, Mylady, kommt.«
    Um ein Haar hätte es Grace nicht geschafft. Dann rief sie sich ins Gedächtnis zurück, daß es hier um einen kranken Mann ging. Sie hielt sich einen Zipfel ihres Umhangs vor den Mund und stolperte weiter.
    Die Dämmerung sickerte

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