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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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rechneten nur selten mit dem Tod.
    Sie trat mit Tira zurück und sah zu, wie Jastar vornüber ins Gras fiel. Eine Heugabel ragte aus seinem Rücken. Die Hitze ließ die hölzernen Zinken augenblicklich verkohlen. Grace schaute auf und blickte in das breite, derbe Gesicht eines Bauern. Er nickte kurz. Die Dorfbewohner starrten den toten Verwalter an, dann drehte sich einer nach dem anderen um und verließ den Anger. Der Mann, der den tödlichen Stoß geführt hatte, schloß sich ihnen an.
    Grace streckte die Hand aus. »Wo gehst du hin?« Das lederige Gesicht des Mannes war ausdruckslos. »Ich werde in meinem Haus warten«, sagte er mit belegter Stimme.
    Sie schüttelte den Kopf. »Worauf warten?«
    »Daß sie kommen, Mylady. Und daß die ganze Welt in Flammen aufgeht.«
    Der Mann drehte ihr den Rücken zu, ging zum Rand der Wiese und verschwand in der Nebelwand. Er war der letzte: Alle Dorfbewohner waren verschwunden. Grace war sich bewußt, daß Lirith und Aryn an ihrer Seite standen; Daynen stand zwischen ihnen in der Mitte. Auf der anderen Seite waren Durge und Meridar, die noch immer ihre Schwerter hielten. Aber Grace sah keinen von ihnen an.
    Statt dessen folgte sie Tiras ruhigem Blick nach oben, hinauf zu dem roten Stern, der tief am Morgenhimmel leuchtete und den Nebel in eine Feuersbrunst verwandelte.

36
    Der Regen prasselte aus einem grauen Himmel und wusch alles weg, was er darstellte und was er dargestellt hatte.
    »Blut und Knochen!« fluchte ein Mann, dessen Stimme vom Wüten des Sturms gedämpft wurde. »Was war das?«
    »Was war was?« Diese Stimme war tiefer und heiserer, und das letzte Wort wurde von einem krachenden Donnerschlag übertönt.
    Travis blinzelte Wasser aus den Augen. Es war schwer zu erkennen, wo er war. Aus allen Richtungen schlossen ihn dunkle Wände ein. Ihm war kalt – schrecklich kalt. Wie war er nur hierhergekommen?
    Asche zu Asche, Staub zu Staub …
    Die gekrächzten Worte hallten durch seine Gedanken. Er schloß die Augen, und Bilder stiegen in ihm auf: der alte Friedhof auf dem Hügel, der ganz in Schwarz gekleidete, vogelscheuchendürre Prediger, das rechteckige Loch im Boden. Wieder las er die noch neuen Worte, die in den Steinblock gemeißelt waren. Im Tode beginnen wir …
    Er öffnete die Augen und betrachtete die Wände aus nasser Erde. Dort, wo er hockte, quetschte sich Schlamm zwischen seinen nackten Zehen in die Höhe. Ja – jetzt verstand er. Darum war ihm auch so kalt. Er war tot. Aus welchem Grund sollte er sonst nackt in einem Grab hocken?
    Der Donner verklang.
    »… grab weiter. Es wird bald dunkel sein. Bei diesem komischen Sturm vielleicht sogar noch früher.« Ein schleifendes Geräusch unterbrach die heisere der beiden Stimmen.
    »Ich kann nicht graben. Nicht, wenn man uns beobachtet. Ich sage dir, ich habe etwas gesehen.«
    »Was denn?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Das schleifende Geräusch endete mit einem dumpfen Scheppern. »Tja, vielleicht siehst du ja besser, wenn du aufhörst, aus deinem Arsch zu schauen, Darl.«
    »Suklath möge mich aufschlitzen! Ich weiß, was ich sah, Kadeck. Dort drüben ist etwas. Es war wie ein Licht. Und nein, es war kein Blitz. Es war silbrig und ganz tief am Boden.«
    Ein Stöhnen ertönte. »Schon gut, schon gut, verflucht noch mal. Wenn das alles ist, damit du gräbst, dann laß uns …«
    Ein Donnern übertönte alle anderen Laute, ein Blitz erleuchtete die Wände des Grabes. In dem grellen Licht entdeckte Travis das zusammengeknüllte Bündel, das zu seinen Füßen lag. Instinktiv griff er danach, und erst dabei wurde ihm bewußt, daß er bereits etwas in der Rechten hielt.
    Er bog die Finger zurück und betrachtete den Gegenstand. Es war ein kleiner Halbkreis aus Silber, der matt auf seiner Handfläche glänzte. Richtig, der Prediger hatte sie ihm gegeben, bevor er in das Grab gestiegen war. Die vage Erinnerung an eine Geschichte stieg in ihm auf, etwas über tote Männer, die eine Münze brauchten, um den zu bezahlen, der sie über einen breiten, stillen Strom ruderte. Aber mußte die Münze nicht unter der Zunge des Toten liegen? Ja, er war sich sicher, daß es sich so verhielt. Er öffnete den Mund und schob sich das kühle Geldstück in den Mund. Es schmeckte metallisch, wie Blut.
    Knirschende Laute näherten sich, Stiefelschritte auf Kies, und er drückte sich eng an die schlammige Grabwand. Er verdrehte den Kopf. Über ihm tauchten zwei Schatten im Halbdunkel auf. Er erstarrte. Etwas sagte ihm, daß er

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