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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Travis.«
    Travis wirbelte herum und starrte mit offenstehendem Mund durch den Zaun hindurch. Wo eben noch abgestorbene Büsche und Luft gewesen waren, stand nun ein Mann. Dann sah Travis schräg hinter einem der Güterwaggons ein Stück einer schwarzen Karosse hervorragen. Aber woher hatte der Mann gewußt, daß er zum Bahnhof kommen mußte?
    »Sehen Sie in Ihre Tasche.«
    Der Mann war noch immer in Schwarz gekleidet, und mit seinem sauber gestutzten Spitzbart und dem kurzen blonden Haar sah er wie geschaffen für die Eröffnung einer Kunstausstellung in New York aus. Aber auf der blassen Haut unter seinen Augen zeichneten sich Schatten ab, und auf seinen Wangen sprossen Bartstoppeln. Diese Nacht hatte auch von ihm ihren Tribut gefordert.
    »Ihre Tasche, Travis. Ich kann Ihnen die Frage vom Gesicht ablesen. Machen Sie schon – Sie werden dort die Antwort finden.«
    Travis zögerte, dann schob er die Hand in die Hosentasche. Er zog dieselben Pennies hervor wie schon zuvor an dem Zeitungskasten. »Ich verstehe nicht.«
    Der Mann lächelte – ein gewinnender Ausdruck. Travis hatte Männer wie ihn schon immer beneidet: klein, kompakt, männlich-attraktiv. Manchmal kam man sich albern vor, wenn man so hochgewachsen war.
    »Die da«, sagte der Mann. »Denver 1966. Sehen Sie sie sich genau an.«
    Travis hielt die Münze hoch. Zuerst fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf. Dann bemerkte er, daß sie dicker als die anderen und an ihrem Rand ein Saum zu sehen war. Er drückte den Daumennagel in den Saum. Der Penny sprang auf. Das Morgenlicht ließ den Silikonchip im Inneren der dünnen Kupferhülle wie einen Diamanten blinken.
    »Aber … dafür sind Sie mir nicht nahe genug gekommen.«
    »Um ihn Ihnen zuzustecken? Stimmt, ich nicht. Aber einem Ihrer Gäste im Saloon hätte es gelingen können, nicht wahr? Ich gehe sogar jede Wette ein, Sie hätten es nicht bemerkt, wenn Ihnen jemand den Penny in die Tasche gesteckt hätte, während Sie eine Runde Drinks am Tisch abstellten.«
    Travis schüttelte den Kopf. Es ergab keinen Sinn – jeder Gast war ein Ortsansässiger gewesen.
    »Wie ich bereits sagte, Travis.« Der Mann breitete die Hände aus. »Man kann keinen anderen jemals richtig kennen.«
    Das war also die Antwort. Einer seiner Bekannten hatte ihn benutzt. Travis drehte sich um und warf den Sender weit in Richtung Gleise. Ein leises Klirren ertönte, dann Stille. Er drehte sich wieder um, und seine Worte nahmen einen höhnischen Unterton an.
    »Und warum haben Sie so lange gebraucht, mich zu finden?«
    »Die Berge haben einen seltsamen Effekt auf Radiowellen, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit. Wir konnten Sie vor Sonnenaufgang nicht aufspüren. Dann kamen wir so schnell wie möglich.«
    Jetzt grinste Travis – es war kein Ausdruck von Humor – und rüttelte am Zaun. »Sieht so aus, als stünde Ihnen etwas im Weg.«
    Der Mann zuckte leicht verlegen mit den Schultern. »Wir versuchen alles in Betracht zu ziehen. Diese Mission erforderte mehrere Monate der Planung. Aber selbst wir können nicht alle Faktoren vorhersagen. Ich fürchte, unsere Karte von Castle City war nicht mehr die neueste.«
    Travis’ Grinsen verblaßte. »Bis Sie herumgefahren sind, werde ich weg sein, das ist Ihnen doch klar, oder?«
    »Wieso, glauben Sie, daß ich keinen Drahtschneider im Auto habe?«
    »Hätten Sie ihn, hätten Sie ihn schon benutzt.«
    Der Mann lachte. »Sehr gut, Travis. Sie sind ein kluger Mann. Ein faszinierender Mann.« Er umklammerte den Maschendraht, die blauen Augen hinter der Brille leuchteten hell. »Ich möchte mich so gern mit Ihnen unterhalten. Wissen Sie das, Travis? Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie gern ich Ihnen zuhören möchte, daß ich alles, was Sie getan, jeden Ort, den Sie besucht, jeden Anblick, den Sie gesehen haben, erfahren möchte?«
    »Warum?« fragte Travis. »Damit Sie wissen, in welcher Gebirgskette Sie zuerst nach Erzen schürfen müssen?«
    »Haben Ihnen die Sucher gesagt, daß ich das will?«
    »Stimmt es etwa nicht?«
    Seine Knöchel verfärbten sich weiß, als er den Draht fester packte. »Die Sucher sind so blind, wie sie arrogant sind. Sie halten sich für so aufgeschlossen, aber sie sind es nicht.« Er ließ den Zaun los, holte tief Luft. »Travis, hören Sie zu. Die Sucher behaupten von sich, Gelehrte zu sein, und das sind sie auch, aber sie sind auch Gelehrte der schlimmsten Sorte. Sie wollen nicht lernen und verstehen. Sie glauben, bereits alles genau zu wissen.

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