Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
verloren zu haben, daß es ihr als Kind im Waisenhaus geraubt worden war, aber nun wußte sie ein für allemal, daß dem nicht so war, denn in genau diesem Augenblick fühlte sie, wie es ihr brach.
    Durge wandte sich wieder der Kommode zu.
    Grace betrachtete seinen breiten Rücken und versuchte zu verstehen. Etwas an Garfs Tod hatte Durge mehr getroffen als bloß der Tod eines befreundeten Ritters. Aber was?
    Falls es eine Antwort auf diese Frage gab, lag sie außerhalb von Graces Reichweite. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihm bei der Arbeit zu.
    »Werdet Ihr es jemals tun? Gold machen, meine ich.«
    Er legte einen Klumpen Schwefel auf eine Waage. »Nur ein reines Herz kann das Große Werk vollbringen, Mylady. So rein, wie es das Gold erschaffen würde.«
    Grace dachte darüber nach. »Durge, seht mich an.«
    Der Ritter gehorchte ihrem Befehl auf der Stelle, eine Tatsache, die sie beinahe hätte zusammenzucken lassen. Sie befeuchtete sich die Lippen und zwang sich zu den nächsten Worten.
    »Ich weiß nicht … Ich weiß nicht, ob es wirklich jemanden gibt, dessen Herz rein ist.« Sie zog ein schiefes Gesicht. »Meiner Erfahrung nach ist Fleisch viel weicher als Metall. Und ich kann nicht sagen, ob es Euch jemals gelingen wird, Blei in Gold zu verwandeln. Aber eine Sache weiß ich genau.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Ihr seid ein ehrenwerter Mann, Durge von Steinspalter.«
    Durge sah sie an, und jetzt schien der Blick seiner Augen weniger düster als vielmehr nur noch müde zu sein.
    »Mylady, ich glaube, Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Ich werde jetzt zu Bett gehen.«
    Er legte die Zange weg, die er gehalten hatte. Grace preßte die Lippen zusammen und nickte. Dann drehte sie sich um, ging durch die Tür und überließ den Ritter seiner Suche.

26
    In dieser Nacht träumte sie wieder von Travis.
    Wie immer stand sie ganz oben auf dem Felsen. Im Zwielicht erkannte sie andere scharfe Gipfel, Inseln im Nebelozean. Sie drehte sich vorsichtig auf ihrem luftigen Aussichtspunkt herum und schaute sich um, bis sie ihn gefunden hatte.
    Er stand nicht weit entfernt auf der Felsennadel und kehrte ihr den Rücken zu. In der Höhe blitzte es blutrot auf. Der Feuerdrache. Nein … Als sie hinaufschaute, hielt der Feuerdrache an und blieb genau über ihr am grauen Himmel hängen: der rote Stern. Wenn ein Meteor der Bote eines königlichen Todes war, was würde dann der Stern verkünden?
    Furcht ergriff von ihr Besitz. Es blieb nicht mehr viel Zeit übrig. Sie streckte die Hand nach Travis aus und rief ihn, obwohl sie genau wußte, daß es sinnlos war, daß der Nebel ihre Worte verschlucken würde, daß er sie nicht hören würde. »Travis!«
    Diesmal drehte er sich um.
    Er war genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte; er trug das schlechtsitzende grüne Wams, das sandfarbene Haar und der Bart waren noch immer zottelig und ungebändigt. Sie verspürte ein Kribbeln. Er hatte sie gehört! Sie wollte ihn erneut anrufen, ihn warnen, daß er in schrecklicher Gefahr schwebte.
    Die Worte erstarben auf ihrer Zunge. Feuchter Nebel verdrängte die Hochstimmung in ihrer Brust.
    Travis’ Augen hinter der Nickelbrille waren völlig schwarz. Es gab keine Iris, das Weiße war verschwunden. Nebelranken umkreisten ihn. Nur daß es sich gar nicht um Nebel handelte, wie sie jetzt sah. Es war Rauch, und er stieg von seinen Kleidern auf.
    Er lächelte sie an. Dann schrie Grace auf, als sich der Nebel rötlich verfärbte und Flammen in die Höhe sprangen, um sie beide zu verschlingen.

27
    Grace setzte sich in ihrem Bett auf, strich sich Haarsträhnen aus dem Gesicht, dann fummelte sie in der Dunkelheit nach der Fußbank. Sie stieg zum Boden hinunter. Im Kamin glühten noch Kohlen und führten sie wie rote Signalfeuer. Sie nahm einen Holzspan aus einem Gefäß, hielt die Spitze an eine Kohle, schützte die daraus resultierende Flamme mit der Hand, bis sie sie an den Docht der auf dem Tisch stehenden Kerze hielt.
    Die Ränder der Nacht wichen bis in die Ecken des Raumes zurück. Grace setzte sich auf einen Stuhl, faltete die Hände im Schoß und starrte die Kerze an, ließ das weltliche Licht ihr Sichtfeld füllen. Sie schwitzte – das kam noch immer von der Hitze des Traumes –, trotzdem zitterte sie in ihrer Unterwäsche. Das Bild von Travis und seinen schwarzen Augen wollte nicht aus ihrem Kopf verschwinden.
    Es war nur ein Traum, Grace. Ein Haufen von synaptischem Auswurf, das ist alles. Und selbst wenn

Weitere Kostenlose Bücher