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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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geweckt, sie nach Osten zu schicken?
    Jetzt dachte sie wie Kyrene. Nicht jeder ihrer Wünsche war ein Zauber. Außerdem war das auch nicht wichtig. Es kam nur darauf an, daß sie vor dem nächsten Vollmond Travis aufspürte. Grace schaute auf und erwiderte den Blick aus Boreas’ blauen Augen.
    »Es wird mir eine Ehre sein, Euch zu dienen, Euer Majestät.«

29
    Der Abend trieb auf leisen grauen Schwingen durch das Schloß. Draußen vor den hohen Fenstern sangen Tauben von Verlust und Trauer. Der Tag schwand dahin. Ihr letzter auf Calavere.
    Grace ging den Korridor entlang, obwohl sie nicht die geringste Vorstellung hatte, wo sie sonst noch suchen sollte. Sie war zu Aryns Gemach gegangen, um der Baronesse zu erzählen, was geschehen war, daß sie eine Zeitlang nicht da sein würde. Aber die junge Frau war nicht in ihrem Gemach gewesen. Oder der Großen Halle, oder der Küche, oder auf einem der beiden Burghöfe. Die letzten beiden Stunden hatte Grace an jeder Stelle im Schloß gesucht, wo sich die Baronesse ihrer Meinung nach hätte aufhalten können.
    Schließlich war sie bei dem kleinen Schrein im Nordflügel gelandet, der den Mysterien von Yrsaia der Jägerin geweiht war. Aryn schien zu glauben, daß sie nichts von den Gebeten wußte, die die junge Frau manchmal an Yrsaia richtete, aber sie hatte ihre geflüsterten Worte bei mehr als einer Gelegenheit gehört. Warum glaubte Aryn, ihre Religion als Geheimnis behandeln zu müssen?
    Sie fürchtet, daß du sie mit anderen Augen siehst, wenn du die Wahrheit kennst.
    Grace verstand das. Schließlich hütete sie ihre eigenen Geheimnisse.
    Sie blieb stehen, seufzte und überlegte, zu Boreas zu gehen und den König darüber zu informieren, daß sie sich um Aryn sorgte. Vielleicht konnte Boreas sie von ein paar seiner Wächter suchen lassen. Sie wandte sich um.
    Durch eine offenstehende Tür drang ein leiser, rhythmischer Laut. Grace verharrte. Wo hatte sie diesen Laut schon einmal gehört? Sie hörte einen Augenblick länger zu, dann trat sie durch die Tür. Dahinter lag eine steinerne Wendeltreppe. Sie stieg die Stufen empor, und nach ein paar Drehungen wurde ihr klar, daß sie in einen der kleinen Türme stieg, die das Hauptgebäude flankierten. Das Klicken verstummte, um Augenblicke später noch lauter als zuvor erneut zu ertönen.
    Grace trat vom Treppenabsatz in einen kurzen Korridor. An dessen Ende befand sich eine Holztür, die ein Stück weit geöffnet stand. Die Laute waren jetzt ganz deutlich zu hören. Klick-klick. Bum. Klick-klick. Bum. Sie näherte sich der Tür und blieb dann stehen, als sie die Laute endlich in dem Augenblick erkannte, in dem sie auch ihre Quelle sah.
    Hierher hat sie sich also zurückgezogen.
    Bis auf einen hölzernen Webstuhl und einen Stuhl war der kreisrunde Raum leer. Grace blieb eine Zeitlang – sie vermochte nicht zu sagen, wie lange – in der Tür stehen und sah zu, wie Aryn den Webstuhl bediente, wie sie das Webschiffchen mit der kleinen, verkrümmten Hand am Ende ihres verkümmerten Arms auffing, wenn es die Kettfäden passiert hatte. Nach sieben Durchgängen hörte Aryn auf, setzte das Webschiffchen ab und löste mit gezielten Bewegungen die Fäden, die sie gewoben hatte, dann nahm sie das Schiffchen und fing von vorn an. Darum hatten die Laute immer wieder ausgesetzt.
    »Aryn?«
    Das Schiffchen fiel polternd zu Boden.
    Grace stürzte in den Raum und hob das Holzblöckchen auf, bevor Aryn reagieren konnte. Sie richtete sich wieder auf und drückte der Baronesse das Webschiffchen in die gute Hand.
    »Ich wußte nicht, daß du da bist, Grace.«
    Die Worte waren teilnahmslos, und Aryn sah nicht auf, als sie sprach. Grace preßte die Lippen aufeinander. In der Notaufnahme hatte sie genügend psychologischen Untersuchungen beigewohnt, um zu wissen, daß zwanghafte wiederkehrende Bewegungen und mangelnder Augenkontakt beunruhigende Anzeichen waren.
    »Aryn, ist mit dir alles in Ordnung?« Grace stöhnte innerlich auf, bevor sie zu Ende gesprochen hatte. Manchmal waren Worte so verflucht wertlos.
    Die junge Frau wandte sich wieder dem Webstuhl zu. »Ich webe nur, Grace. So wie Ivalaine es uns aufgetragen hat. Ich muß noch so viel lernen. Aber ich bekomme es anscheinend nicht richtig hin. Die Fäden ergeben nie das Bild, das ich haben will. Aber ich versuche es weiter.« Sie lächelte, doch es war ein mageres Lächeln.
    Grace holte zischend Luft. Das war schlimmer, als sie gedacht hatte. Sie verfluchte sich, daß sie die Anzeichen

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