Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
ich beunruhigende Dinge aus Spardis gehört. Königin Inara ist erst sechzehn, und ihr Sohn Perseth – Persards Erbe – nuckelt noch an ihrer Brust. Das ist keine gute Position. Zumindest nicht in einer Domäne, wo jeder Fünfjährige einen Dolch und einen Plan hat.« Er sah sie forschend an. »Ich nehme an, Ihr habt Euch bereit erklärt, für Boreas die Situation zu erforschen?«
Grace nickte und legte unbewußt die Hand an den Nacken.
»Keine Angst.« Der Barde grinste. »Ihr werdet Euren Kopf schon auf den Schultern behalten, Euer Durchlaucht. Nach diesem einen Zwischenaufenthalt reiten wir auf direktem Weg nach Spardis. Wir sind dort mit Melias altem Freund verabredet. Ich glaube, jeder von uns wird neugierig sein, was der andere erfahren hat.«
An diesem Abend kampierten sie innerhalb einer steinernen Ruine, die wie eine schief sitzende Krone auf einem Hügel saß. Als sie die Reste des Eintopfs aßen, erklärte Falken, daß es sich hierbei um die Überreste eines Wachturms handelte, den Erforscher aus Toringarth vor über tausend Jahren erbaut halten.
Durge strich sich über den Schnurrbart. »Ich wußte gar nicht, daß Männer aus Toringarth je so weit nach Süden gesegelt sind.«
»Sogar noch weiter«, erwiderte der Barde. »Sie waren die größten Seefahrer, die je die vier Meere befuhren. Viele ihrer Türme wurden in Seenähe erbaut, an sämtlichen Küsten Falengarths.«
Grace dachte an ihren Politikunterricht zurück. Sie erinnerte sich, Toringarth auf Aryns Karte gesehen zu haben – ein zerklüfteter Landfinger nördlich von Falengarth –, aber das war es auch schon, was sie darüber wußte, mal abgesehen von Falkens Erzählung, wie vor langer Zeit König Ulther von Toringarth mit Unterstützung von Elsara, der Kaiserin von Tarras, dabei geholfen hatte, den Fahlen König zu besiegen.
»Warum war beim Rat der Könige eigentlich niemand aus Toringarth anwesend?« fragte sie.
»Schon seit vielen Jahrhunderten hat man nichts mehr vom Königreich Toringarth gehört, und im Gegensatz zu den Schiffen der Toringarther, in die man in der Vergangenheit Runen der Stärke und Schnelligkeit gebunden hat, kann kein in Falengarth gebautes Schiff gegen das Eis des Wintermeeres bestehen.«
Grace kaute auf ihrer Lippe herum. Die Antwort des Barden war völlig unbefriedigend. Kein Königreich konnte so ohne weiteres verschwinden. Was war mit Toringarth geschehen, nachdem Ulther den Fahlen König besiegt und bei der Gründung von Malachor geholfen hatte?
Vielleicht reist du ja eines Tages selbst dorthin und findest es heraus, Grace.
Die Nacht brach herein, und einer der Reisenden nach dem anderen suchte sich in dem verfallenen Turm ein Plätzchen und legte sich hin, aber Grace konnte nicht einschlafen. Statt dessen sah sie Meteoriten zu, die über die sternerfüllte Scheibe rasten, auf die die zerstörten Turmwände einen Ausblick boten.
Sie mußte dann doch eingenickt sein, denn irgendwann blinzelte sie und sah, daß sich ein blutroter Funke zu den anderen Himmelslichtern gesellt hatte: der rote Stern. Etwas drückte unbequem auf ihre Blase. Sie setzte sich auf. Schwarzes Fell verschmolz mit der Nacht, aber in dem diffusen Licht leuchteten goldgelbe Augen.
»Was glaubst du, was du da tust?« flüsterte Grace.
Das Kätzchen schnurrte bloß und knetete weiter ihren Leib mit seinen kleinen Pfoten.
Grace hob die Katze hoch, überlegte, was sie mit ihr machen sollte, und setzte sie dann in Tiras Armbeuge ab. Das Kätzchen drehte sich dreimal um die eigene Achse, dann legte es sich nieder und schmiegte den Kopf auf den Arm des Mädchens. Tira seufzte im Schlaf.
Grace legte sich wieder hin und schloß die Augen, nur um sie einen Augenblick später wieder aufzumachen. Das Trampeln des Kätzchens hatte sein Werk getan, und sie würde nicht schlafen können, wenn sie nicht einen bequemerweise ganz in der Nähe befindlichen Busch besuchte.
Sie erhob sich so leise, wie sie konnte, suchte sich einen Weg an den anderen Schläfern vorbei und stieg durch eine Lücke in der Mauer. Sie umrundete den Turm, bis sie endlich ihren Busch fand. Sobald sie fertig war, ging sie in derselben Richtung weiter, da sie den Turm ohnehin bereits zur Hälfte umrundet hatte.
»Ich hätte Euch niemals verlassen dürfen.«
Die leise Stimme ließ Grace erstarren.
»Mir ist nichts passiert«, flüsterte eine andere, kühle Stimme. »Außerdem hatten wir darüber gesprochen und waren beide zu dem Schluß gekommen, daß es besser so
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