Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
ist.«
Grace schob sich an einem Haufen moosbewachsener Steine vorbei. Ein halbes Dutzend Schritte entfernt saßen zwei Gestalten im Sternenlicht. Die eine war klein und schlank, ihr schwarzes Haar verschmolz mit der Nacht. Die andere war hochgewachsen und geschmeidig; ein Kettenhemd und blondes Haar leuchteten im Glanz des gerade aufgegangenen Mondes.
»Aber ich bin jetzt hier«, sagte Beltan. »Und ich bin noch immer Euer Ritter-Hüter.«
Melia tätschelte ihm die Hand. »Ich möchte dich wirklich nicht abweisen, mein Bester, ich weiß nicht, wie ich ohne dich diese letzten Jahre zurechtgekommen wäre. Als ich dich kennenlernte, war Falken in eine düstere, verzweifelte Stimmung verfallen, in der ich nicht zu ihm durchdringen konnte. Ohne dich hätte ich es nie geschafft. Du wirst immer mein Beschützer sein.« Sie zog die Hand zurück. »Aber mit der Zeit wird dir vielleicht klar, daß du auch etwas anderes sein möchtest.«
»Ich bin Euch verpflichtet, Melindora Nachtsilber.«
»Du bist deinem Herzen verpflichtet, Beltan von Calavan – und das darfst du nie vergessen.«
Beltan grinste, aber es war ein trauriger Ausdruck. »In diesem Fall glaube ich nicht, daß es um mein Herz geht.«
»Und woher willst du das wissen? Hast du gefragt?«
Beltan schwieg, aber Grace wußte, daß sie schon mehr gehört hatte, als sie hätte hören sollen. Sie trat einen Schritt zurück.
Beltan griff nach dem Schwert. »Ich habe etwas gehört.«
Melia berührte sanft seine Hand. »Es ist nichts, Beltan. Nur ein aufgescheuchtes Tier.«
»Seid Ihr sicher?«
Bernsteinfarbene Augen blickten in Graces Richtung. »Ja, da bin ich mir ziemlich sicher.«
Grace raffte ihre Röcke, drehte sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Wieder im Turm, suchte sie sich ihren Platz und legte sich hin. Sie wollte die Augen schließen, hielt dann aber inne. Zwei helle Funken beobachteten sie; das Kätzchen lag noch immer auf Tiras Arm und blickte in ihre Richtung.
»Sie hat mich gesehen, nicht wahr?« flüsterte Grace. »So wie du mich jetzt.«
Das Kätzchen leckte sich die Pfote. Mit einem Frösteln zog Grace die Decke höher und rollte sich zusammen. Und die ganze Nacht lang träumte sie von Bernsteinmonden, die sie aus einem Onyxhimmel beobachteten.
18
Am dritten Tag nach ihrem Aufbruch vom Grauen Turm beschrieb die unregelmäßige Linie der Morgenrotberge einen scharfen Knick nach Norden, und die Reiter folgten ihr.
Travis seufzte von seinem Aussichtspunkt auf Fleck’ schaukelndem Rücken. Das Land, durch das sie jetzt kamen, war wunderschön und völlig menschenleer. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Travis gelegentlich eine primitive Hütte oder die Überreste alter Mauern gesehen. Aber hier gab es nicht die geringsten Anzeichen von Zivilisation, ob man sie nun aufgegeben hatte oder nicht.
»Es ist mehr als tausend Jahre her, daß Menschen an diesem Ort lebten«, sagte Falken über das Hufgetrappel hinweg, als Travis sein Pferd zu ihm lenkte und ihn nach der Geschichte dieses Landes fragte. »Wir sind am Marschland Tolorias vorbei und befinden uns ganz in der Nähe des Meeres der Morgenröte und den südlichen Buchten dessen, was heutzutage als Sturmküste bezeichnet wird. Aber die Menschen, die einst hier lebten, nannten diesen Ort Dun-Dordurun, was in ihrer Sprache soviel wie Das-Land-dazwischen heißt. Für sie war es ein magischer Ort.«
Travis sah zu den nebelverhangenen Bergen hinüber und dann wieder auf die wilde Landschaft. Ein einzelner Falke kreiste gegen den endlosen blauen Himmel, als eine Brise aufkam und den schwachen, aber unverkennbaren Geruch von Salz und Ozean mit sich trug.
»Wer waren sie, Falken? Die Menschen, die hier lebten, meine ich.«
Der Barde betrachtete die in der Ferne liegende, niedrige Linie eines Felskammes, der zu gerade und lang war. um hundertprozentig natürlichen Ursprungs sein zu können. Lirith und Beltan hatten ihre Pferde näher herangeführt, um dem Barden zuzuhören.
Der Wind blies Falkens graudurchsetztes Haar aus seiner Stirn. »Die, die sich noch an sie erinnern, nennen sie die Maugrim, was Die Wilden bedeutet. Aber in ihrer Sprache waren sie die Gul-Hin-Gul, was meines Wissens nach soviel wie Die Wahren Menschen heißt. Ich fürchte, man weiß nur wenig von den Maugrim.«
Beltan lachte. »Ich würde mein Schwert darauf verwetten, daß alles, was von ihnen bekannt ist, in deinem Kopf steckt, Falken.«
»Die Wette würdest du vermutlich gewinnen«, sagte Melia und kam
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