Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
nichtlebendem Fleisch anzunehmen, und indem sie dies taten, wurden sie zu seinen Sklaven. Sie wurden seine Nekromanten – seine Todeszauberer. Vor dem Krieg der Steine entsandte er sie nach Falengarth, um dort Orte der Macht wie diesen hier zu errichten, als Vorbereitung auf den kommenden Kampf.«
»Darum haben wir unten also den Pylonen entdeckt«, sagte Grace, die die Arme fest vor der Brust verschränkt hielt. »Ihr sagtet, daß der Fahle König und die Nekromanten sie im Krieg dazu benutzten, mit ihren Sklaven zu kommunizieren.«
»Ja. Und hier, in den Katakomben dieses Ortes – und anderen Orten wie diesen hier – erschuf man viele dieser Sklaven. Hier brachte man die Eldhrim, das Kleine Volk, in Eisenketten her. Und hier wurden ihre Körper durch die Magie der Nekromanten in neue und schreckliche Formen gezwungen.«
Wieder stieg in Travis Übelkeit hoch. Er dachte an den Feydrim, dem er und Grace auf Calavere begegnet waren, an seine monströsen Reißzähne und Krallen – und an den Ausdruck des Schmerzes und der Erleichterung in seinen gelben Augen, als sie ihn hatten töten können.
»Ihr erzählt da eine düstere Geschichte, Falken«, sagte Durge mit seiner grollenden Stimme, »aber sie hat mir noch immer nicht verraten, warum wir an diesen Ort gekommen sind, um hier einen der Imsari zu suchen. Wurden nicht alle Nekromanten im Krieg der Steine vernichtet?«
Falken ballte die Hand in dem schwarzen Handschuh und streckte sie wieder. »So heißt es.«
»Wieso kam der Stein des Feuers dann an diesen Ort?«
Bevor der Barde antworten konnte, zeigte Travis auf die Fußspuren, die in die schwarzen Stufen des Tempels eingebrannt waren. »Man hat ihn hergebracht.«
Falkens Stimme verschmolz mit dem traurigen Lied des Windes. »Nach dem Krieg der Steine hüteten die Runenmeister die drei Imsari in Malachor. Aber Malachor ging keine zwei Jahrhunderte später unter, und die Runenmeister wurden vernichtet – alle bis auf drei, von denen jeder mit einem der Großen Steine floh und die im Dunkel der Geschichte in Vergessenheit gerieten. Ihre Namen lauteten Jakabar, Kelephon und …«
»Und Mindroth«, sagte Travis. Vor seinem inneren Auge erschienen wieder die Worte auf dem Grabstein, den Bruder Cy ihm auf dem Friedhof von Castle City gezeigt hatte. »Er war es, nicht wahr? Er war der Mann, der in meinem Saloon verbrannt ist. Es war Mindroth.«
Falken nickte. »Ich glaube schon.«
Beinahe hätte Travis gelacht. Und doch ergab es in gewisser Weise einen Sinn. Schließlich hatten die Fußabdrücke in dieses Tal hineingeführt, aber keine wieder hinaus. Mindroth mußte es durch ein anderes Tor verlassen haben.
»Ich muß schnell sein«, sagte Melia, und ihre Stimme war so hart wie der Fels unter ihren Füßen. »Wir sind nicht allein an diesem Ort, davon bin ich überzeugt. Auch wenn ich nicht sagen kann, um was für ein Wesen es sich handeln könnte.«
Sie sah Lirith an, aber die Hexe schüttelte den Kopf.
»Meine Sinne sind nicht so scharf wie Eure, Lady Melia. Ich habe keine Ahnung, um was es sich handeln könnte. Aber ich spüre es auch – es ist wie ein Schatten genau am Rande meines Blickfelds.«
»Haltet Wache«, sagte Melia. »Ihr alle. Ich bemühe mich, so schnell wie möglich zu machen.«
Beltan trat vor. »Ich komme mit Euch.«
Ihre Bernsteinaugen blitzten so hell auf, daß der Ritter unwillkürlich einen halben Schritt zurücktrat. »Da gibt es keine Diskussion, Beltan. Jeder, der außer mir diesen Ort betritt, wird sterben. Wenn du meine Worte bezweifelst, frag Falken.«
Der Barde nickte. Seiner verschlossenen Miene nach zu urteilen, hatte er diese Diskussion bereits mit Melia geführt – und genau wie Beltan verloren.
Der blonde Ritter berührte die Lady an der Schulter; auf seinem Gesicht lag ein verletzter, aber resignierter Ausdruck. »Bei allen Göttern, gebt auf Euch acht, Melia.«
Sie strich über seine Hand, und ihre Stimme klang sanfter. »Ich werde mit allen Göttern an meiner Seite eintreten.«
Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich die Lady um, stieg die Stufen zum Tempel hinauf und verschwand in den Schatten zweier abscheulicher Säulen.
Aryn hatte den linken Arm um den Leib gelegt und fühlte sich unbehaglich. »Und jetzt?« fragte sie.
Falken setzte sich auf einen Felsen. »Und jetzt warten wir.«
Alles schwieg. Der Wind frischte auf und blies stärker und kälter; er heulte die Felsen entlang, als würden ihre scharfen Kanten ihn verletzen.
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