Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
Beltan und Durge marschierten auf und ab und spähten unablässig in die Ferne, während Lirith mit gesenktem Kopf dasaß – sie hielt auf andere Art und Weise Wache. Grace drückte unter ihrem Umhang Tira eng an sich, und als Travis bemerkte, daß Aryn nicht zu zittern aufhörte, öffnete er den Nebelmantel und wickelte ihn um sich selbst und die schlanke Gestalt der Baronesse.
Die Minuten verstrichen so langsam, wie Stein erodierte. Aber Melia hatte nicht gelogen. Es war keine Viertelstunde vergangen, als sie oben am Fuß der Tempeltreppe erschien. Sie taumelte und griff Halt suchend nach einer Säule. Belten wollte die Treppe hinaufstürmen, aber eine scharfe Geste Melias ließ ihn innehalten. Sie kam mit vorsichtigen Schritten hinunter, bis der Ritter sie beim Arm fassen konnte.
»Alles in Ordnung mit Euch?« fragte er und ließ sie nicht aus den Augen.
»Keine Angst. Ich konnte mich vor den dort drinnen herrschenden Mächten schützen.«
Aber Travis entging nicht, daß sie dem Ritter nicht befahl, sie loszulassen. Beltan führte sie zu den anderen und half ihr, sich auf einen flachen Felsen zu setzen. Das Kätzchen sprang auf ihren Schoß und rollte sich dort zusammen.
Falken ging vor ihr auf die Knie. »Melia, was hast du gefunden?«
»Es ist, wie wir vermutet haben«, sagte sie müde. »Krondisar ist nicht länger hier. Eigentlich hat Mindroth ein gutes Versteck gefunden. Ich verstehe, warum er herkam, nachdem er mit dem Stein aus Malachor floh. Wenn alle Nekromanten vernichtet waren, was für ein besseres Versteck konnte es da geben als eine ihrer Festungen?«
»Wie lange?« Falken ergriff ihre Hände. »Wie lange ist er fort?«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber bestimmt nicht allzu lange. Nach dem zu urteilen, was ich fand, hat Mindroth hier viele Jahrhunderte lang gebrannt, während er Krondisars Bann verfallen war.«
»Aber wie war das möglich?« fragte Grace. »Wenn der Stein des Feuers dafür verantwortlich ist, daß Menschen zu Krondrim werden, hätte dann Mindroth nicht auch zu einem von ihnen werden müssen?«
Falken schüttelte den Kopf. »Die Runenmeister waren zweihundert Jahre lang die Hüter der Imsari, und sie verstanden die Macht der Großen Steine viel besser als jedes andere Lebewesen – abgesehen vielleicht von Alcendifar, dem Dunkelelfen, denn es war der Zwerg, der die Imsari als erster fand, nachdem sie vom Himmel gefallen waren, und der sie in die Essenzen von Eis, Feuer und Zwielicht band.«
»Also darum konnte Travis als einziger Sinfathisar berühren«, stellte Grace fest.
Falken nickte. »Nur ein Runenmeister kann der Macht eines der Großen Steine längere Zeit widerstehen.«
»Aber nicht für immer«, murmelte Travis. Er ballte die rechte Hand zur Faust. »Am Ende brannte selbst Mindroth.«
Darauf wußte der Barde keine Antwort.
»Falken, ich habe im Tempel noch mehr gefunden.« Melia erwiderte den Druck seiner Hände. »Es gab Anzeichen eines Kampfes. Einer schrecklichen Schlacht. Alle Verteidigungsmechanismen dieses Ortes sind aktiviert worden, um Mindroth den Stein zu entreißen. Und es gibt nur einen, der so etwas hätte zustande bringen können.« Sie holte lief Luft. »Die Person, die diesen Ort schuf.«
Falken zog die Hände zurück und stand auf. Er spuckte das Wort wie Gift aus. »Dakarreth.«
»Moment mal, Falken«, sagte Beltan. »Du hast uns gesagt, daß alle Nekromanten im Krieg der Steine vernichtet wurden.«
Der Barde lächelte bitter. »So heißt es in den Überlieferungen. Ich habe das nie gesagt. Dakarreth ist am Leben. Das heißt, insofern am Leben, wie es für einen seiner Art möglich ist. Und er besitzt den Stein des Feuers.«
Beltan wollte protestieren, aber Melia erhob sich und nahm das Kätzchen auf den Arm. »Wir müssen gehen. Mindroth ist nicht hier.« Sie sah Travis an. »Anscheinend fand er sein Ende auf einer anderen Welt, auf der Suche nach seinen Brüdern. Wir müssen so schnell wie möglich nach Spardis. Ich muß mit Tome sprechen, ihm berichten, was wir auf unserer Reise in Erfahrung gebracht haben, und ihn fragen, was er entdeckt hat.«
Travis stand zusammen mit den anderen auf, und gemeinsam gingen sie an dem Felsvorsprung vorbei und dann über den leblosen Talboden in Richtung Treppeneingang zurück.
Sie waren noch keine zwanzig Schritte von dem Tempel entfernt, als sich von dem Vorsprung zu ihrer Linken etwas aus dem Felsen löste.
Travis blinzelte. Statt in die Tiefe zu stürzen, raste die Geröllmasse in den Himmel,
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