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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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aufgerissen, und ihre gewaltigen schlaffen Brüste hingen zu beiden Seiten heraus und gaben die Sicht auf das zerfetzte Loch in der Mitte ihrer Brust frei. Ihre Haut war wie auch ihre Kleidung voller Blut. Noch während Grace sich fragte, was sie wohl mit ihr gemacht hatten, sah sie den faustgroßen Fleischklumpen in Mr. Murtaughs Hand, von dem es noch immer rot hinuntertropfte, und sie wusste, dass das Mrs. Fulchs Herz war. Mr. Holiday hielt einen anderen Klumpen von ähnlicher Größe, aber dieser war von einem dunklen, metallischen Grau.
    Mr. Murtaugh war der Erste, der seine Sprache wiederfand; er brüllte eine Reihe von Flüchen, die Grace allesamt nicht verstand.
    »Was sollen wir tun?«, kreischte Mrs. Murtaugh. »Sie hat uns gesehen. Was sollen wir tun?«
    Mrs. Broud starrte die hysterische Frau an. »Bei Seiner Makellosen Dunkelheit, halten Sie den Mund, oder Ihr Herz kommt als Nächstes dran.« Sie wandte sich an Mr. Holiday. »Schnell, Dämon«, sagte sie mit drängendem Tonfall, »beenden Sie den Akt der Schöpfung, bevor es zu spät ist.«
    Mr. Holiday nahm den grauen Klumpen …
    Es ist Eisen. Ein Klumpen Eisen.
     … und stopfte ihn grob in das klaffende Loch in Mrs. Fulchs Brust.
    Mrs. Fulch setzte sich auf.
    Ihre fetten Glieder waberten, als sie einen gurgelnden, stockenden Atemzug nahm. Dann schaute sie auf und lächelte – ein hungriger, hasserfüllter Ausdruck. Sie breitete die schlaffen Arme aus.
    »Ich bin bereit, Meister!«, schrie sie schrill. In ihren Augen funkelte der Wahnsinn, ihre Lippen waren voller Blut. »Durch unserer Hände Werk sollt Ihr zu Eurer Euch rechtmäßig zustehenden Welt zurückkehren, und der Herr des Sonnenuntergangs soll über alles herrschen!«
    Grace machte einen Schritt zurück. Trotz Mrs. Fulchs Bewegungen und ihrer Worte war sie sich ziemlich sicher, dass die Köchin nicht lebte. Sie sah die anderen an, sah in die Tiefe, sah bis auf die leuchtenden grünen Fäden unter ihrer Haut. Nicht Mr. und Mrs. Murtaugh, auch die meisten der Aufseherinnen nicht. Aber in Mrs. Brouds Brust und auch in der von Mr. Holiday ruhten finstere, leblose Flecken, die die grünen Fäden nicht berühren konnten.
    Eisenherzen, Grace. Das Auge auf dem schwarzen Tuch – es ist das Symbol des Rabenkults. Mrs. Broud und Mr. Holiday waren Eisenherzen, und sie machten Mrs. Fulch zu einer von ihnen. Das hast du in jener Nacht gesehen, das ist die Erinnerung, die du weggesperrt hast. Aber du konntest es nicht verstehen, nicht damals, nicht so wie heute. Darum bist du dorthin zurückgekehrt – um es dir anzusehen.
    Aber wenn das die Wahrheit war, warum war sie dann noch immer hier? Warum waren die Flammen nicht gekommen?
    »Ich kümmere mich um die kleine Laus«, fauchte Mr. Murtaugh, streckte die großen Hände aus und ging auf Grace zu.
    Mr. Holiday stoppte den Hausmeister mit einem Blick. »Nein. Überlassen Sie das den … Besuchern.«
    Das metallische Licht wurde heller und das Summen lauter, so dass Grace glaubte, es würde ihr Gehirn in Brei verwandeln. Das schwarze Tuch mit den Symbolen flatterte und flog dann zur Seite, als etwas Großes, Blasses und unmöglich Schlankes hervorschwebte.
    Die Erwachsenen wichen nach beiden Seiten aus. Sogar Mrs. Broud und Mr. Holiday schauten mit einer Mischung aus Furcht und Hass zu. Grace konnte sich nicht bewegen, während das Wesen auf sie zuschwebte.
    Der Phantomschatten war grotesk und wunderschön. Der große Kopf saß auf einem spindeldürren Hals, und die Augen in dem mundlosen Gesicht waren wie große schwarze Steine. Der Phantomschatten kam näher und streckte zerbrechlich aussehende Arme zu einer tödlichen Umarmung aus. Graces Atem verwandelte sich in der Luft zu Nebel. Der Schatten kam von allen Seiten näher.
    Lass dich nicht von ihm berühren. In ihrem Verstand klang ihre eigene Stimme dumpf und wie aus weiter Ferne. Du musst die Flammen kommen lassen.
    Jede Bewegung fiel unendlich schwer. Die Kälte des Phantomschattens hatte ihr Fleisch in Lehm verwandelt. Sie spürte die erste kalte Liebkosung seines schlanken Fingers. Der Schatten schien voller Schadenfreude zu pulsieren. Er würde sie bei lebendigem Leib fressen.
    Nein, das wird er nicht, Dr. Beckett. Denn du wirst das nicht zulassen. Gib deinen Patienten nicht auf, nur weil du es selbst bist.
    Ärztin, heile dich selbst.
    Irgendwo tief in ihrem Inneren erwachte ein Funke zum Leben. Es war weder Wut noch Hass. Es war lediglich Bedauern über so viele Jahre, die sie damit

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