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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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leise. »Wir sind Narren. Es war genau vor uns.«
    Travis und die anderen beugten sich über ihn. Sareth strich mit dem Finger über eines der Piktogramme und wischte Jahrhunderte des Schmutzes fort. In der einen Hand hielt der Zauberer einen Kreis mit acht Linien. Und in der anderen … einen mit sechs Linien.
    Sareth erhob sich. »Es müssen zwei Relikte als Teil des Bindungszaubers in den Altar eingesetzt worden sein, nicht nur eines. Eine Spinne und ein Käfer. Aber als der Dämon durch das Verschlingen der Götter stärker wurde, fing er an, den Felsen zu verformen. Der Altar fing an zu schmelzen, und eines der Schmuckstücke wurde beinahe völlig verdeckt.«
    »Also hat Xemeth es übersehen«, sagte Durge.
    »Genau wie wir auch, wenn Eure scharfen Augen nicht wären, Beshala«, sagte Sareth.
    Er grinste über das ganze Gesicht; sie erwiderte das Lächeln.
    Travis streckte eine Hand aus. Mit langsamen, zierlichen Bewegungen krabbelte der Skarabäus auf seine Finger und krümmte sich dann auf seiner Handfläche zusammen. Er fühlte sich warm an.
    »Wie benutzen wir ihn?«
    »Den Geschichten zufolge war jedes der Relikte dazu bestimmt, drei Tropfen von Orús Blut aufzunehmen«, sagte Sareth.
    Lirith berührte vorsichtig das Schmuckstück. »Blut voller Macht …«
    In einer Minute waren sie bereit. Sareth hatte das Tor-Artefakt auf den Altar gestellt und das Prisma entfernt, um das leere Reservoir zu enthüllen.
    »Was ist mit dem Reinigungszauber?«, wollte Lirith wissen.
    »Dafür ist keine Zeit«, erwiderte Sareth. »Und er dient ohnehin nur dazu, die Gedanken des Reisenden zu beruhigen, damit er sich besser auf das Ziel konzentrieren kann.«
    Durge räusperte sich. »Dann lasst uns alle daran arbeiten, uns die Etherion vorzustellen und sicherzugehen, dass wir nicht von müßigen Gedanken an unsere Kinderstuben oder dergleichen abgelenkt werden. Ich würde es vorziehen, wenn unsere Körper nicht zwischen mehreren Orten verteilt werden.«
    »Wie bringe ich ihn zum Funktionieren?«, fragte Travis. Der Skarabäus krabbelte auf seiner Handfläche herum.
    »Haltet ihn über das Artefakt und drückt«, sagte Sareth. »Aber ganz vorsichtig. Lasst nur einen Tropfen fallen.«
    »Wird das denn ausreichen?«, fragte Lirith.
    Sareth erwiderte ihren Blick. »Ein Meer aus Scirathi-Blut käme nicht einem Tropfen aus den Adern des Gottkönigs Orú gleich. Verglichen damit ist selbst das Elfenblut wie Wasser.«
    Travis holte tief Luft. »Wisst ihr, das ist noch etwas, was ich mir nie vorgestellt hätte zu tun.«
    »Jetzt, Travis.«
    Er drückte den Skarabäus fest, aber keineswegs grob. Dunkelrote Flüssigkeit quoll hervor, bildete einen einzelnen glitzernden Tropfen. Einen Augenblick lang bebte der Tropfen unbeweglich dort, dann hielt Travis den Skarabäus schräg, und der Tropfen fiel in das steinerne Behältnis. Vorsichtig schob er den Skarabäus in die Hosentasche.
    »Du bleibst hier«, sagte er zu dem lebenden Schmuckstück.
    Sareth sah sie der Reihe nach an. »Bereit?«
    Sie nickten. Der Mournisch hob das dreieckige Prisma und setzte es auf das Artefakt. Sofort bildete sich ein Tor; blaue Flammen züngelten seinen Rand entlang.
    »Denkt daran«, sagte Durge grimmig, »die Etherion.«
    »Die Etherion«, wiederholten die anderen.
    Gemeinsam traten sie durch das Tor.

34
    Grace stand in ihrem Nachthemd am Fuß der Treppe. Sie war wieder dreizehn.
    Im Waisenhaus war es still. Zu still. Es gab keine Spur von Mrs. Broud, der Aufseherin der zweiten Etage mit dem Eselsgesicht, und Lisbeth Carter musste ihr Schluchzen mit einem Kissen ersticken, denn Grace konnte es nicht länger hinter sich hören. Selbst die Eulen waren verstummt.
    Aber vor ein paar Minuten hatte Grace etwas gehört. Sie hatte Mrs. Fulchs Grunzen und Stöhnen zugehört, das zum Schlafsaal der Mädchen gedrungen war, als die rotgesichtige Köchin das Badezimmer verlassen hatte. Dann war ein dumpfer Aufprall ertönt, gefolgt von einem schleifenden Geräusch. Etwas war dort oben passiert. Aber was?
    Du musst es herausfinden, Grace. Darum bist du wieder hier. Es muss sein.
    Grace schaute den dunklen Schacht der Treppe zur zweiten Etage empor und zitterte; sie war schon vor langer Zeit aus dem dünnen Nachthemd herausgewachsen, und ihre knochigen Beine stachen wie weiße Stöcke daraus hervor. Die Nacht lastete schwer auf ihr. Aber der Korridor war von mehr als nur der Nacht erfüllt.
    Es ist der Schatten. Dein Schatten – der schwarze Fleck, der an deinem

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