Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
Hand auf die Schulter. »Und jetzt kann sie Euch nicht länger täuschen. Ihr solltet noch einmal versuchen, durch die Weltenkraft in die Ferne zu greifen. Jetzt kann nichts mehr Eure Macht behindern.«
Diese Worte ließen Aryn zittern. Nein, es gab nichts mehr, das ihre Macht zurückhalten konnte. Aber hätte es das nicht geben sollen? Seit der Wintersonnenwende hatte sie gewusst, dass sie Macht besaß, jemandem zu schaden; mit einem Gedanken hatte sie Lord Leothan getötet. Aber er war ein Eisenherz gewesen, und er hatte sie angegriffen. Genau wie Belira und ihre Busenfreundinnen mit ihrem Spott. Aber was hatte der Diener – Alfin, er hatte einen Namen –, was hatte Alfin je getan, um ihre Grausamkeit zu verdienen? Und zu was war ihre Macht gut, wenn sie sie nur dazu benutzte, anderen zu schaden? Vielleicht hatten Belira und der Rest ja Recht. Nicht sie waren die Ungeheuer; sie war es.
»Nein, solche Gedanken dürft Ihr nicht denken.« Mirda stellte sich vor Aryns Stuhl und sah sie streng an. »Ihr habt jetzt viele Entscheidungen zu treffen. Aber eines könnt Ihr nicht: Ihr könnt das Talent in Euch nicht verleugnen. Ihr seid stark, Schwester – stärker als jede Hexe seit einem Jahrhundert.«
Aryn sah aus dem Fenster in die Nacht hinaus. »Aber ich habe nicht um diese Macht gebeten. Und ich will sie nicht.«
»Und Ihr könnt daran genauso wenig ändern, wie Ihr die Form Eures rechten Arms ändern könnt. Die Macht ist in Eurem Blut. Und je stärker Ihr versucht, sie zu verleugnen, desto weniger Kontrolle werdet Ihr darüber haben, und desto mehr Kontrolle wird sie über Euch haben.«
»Aber welcher Sinn steckt dahinter?« Aryn sah ihr Spiegelbild im Fenster; es war so bleich und verloren wie das eines Geistes. »Wozu ist diese ganze Macht überhaupt gut?«
»Das bleibt Euch überlassen«, sagte Mirda entschieden.
In diesem Augenblick erkannte Aryn, dass Mirda Recht hatte. Macht selbst war nicht gut oder böse. Es kam auf denjenigen an, der darüber gebot, ob sie sich entweder in das eine oder das andere verwandelte. Sie verspürte den Schmerz in ihrer Brust, aber es war ein gutes Gefühl. Es war, als würde etwas zerbrechen, als würde ein kleines Stück von ihr abfallen. Aryn wusste, was es war; es war der Stolz geglaubt zu haben, besser als die anderen zu sein – dass sie freundlicher und anständiger als sie war. Aber von diesem Augenblick an würde sie ihre Macht so klug benutzen, wie es nur möglich war. Und nicht nur ihre Macht als Hexe, sondern auch ihre Macht als Baronesse – und bald als Königin.
Aryn stand auf und erwiderte Mirdas Blick. »Ich muss sofort mit dem König sprechen.«
Mirda nickte bloß.
Eine Viertelstunde später betrat Aryn das Gemach des Königs. Sie war nicht nervös, so wie sie es bei jeder früheren Gelegenheit gewesen war, wenn sie einen Fuß in diesen Raum gesetzt hatte; sie wusste, was sie zu tun hatte. Boreas saß am Tisch und brütete über einem Pergament; schließlich schaute er auf und sah sie müde mit zusammengekniffenen Augen an.
»Ich bin beschäftigt, Mylady.«
»Verzeiht mir die Störung, Euer Majestät. Da gibt es etwas, das ich Euch sagen muss. Etwas, das nicht warten kann.«
Der König legte den Kopf schief und legte das Pergament zur Seite. »Was denn, Mylady?«
»Euer Majestät, es gibt noch andere, die es ebenfalls hören müssen. Dürfen sie eintreten?«
Der König war offensichtlich von ihren Worten überrascht, aber er nickte, und sie ging zur Tür und winkte die beiden, die draußen gewartet hatten, ins Zimmer. Sie gehorchten, die eine nur zögernd und sich mit großen Augen umsehend – der andere mit schlurfendem Schritt.
Die Dienstmagd keuchte auf, als sie den König erblickte, und machte hastig einen Hofknicks.
»Alfin!«, flüsterte sie und riss am Ärmel des jungen Mannes. »Alfin, du musst dich vor dem König verbeugen!«
Sie zerrte erneut, und er verbeugte sich langsam.
»Erhebt euch«, brummte der König.
Die junge Frau schoss in die Höhe und zerrte wieder am Wams ihres Bruders, damit er sich aufrichtete. Er blickte gelassen nach vorn. Die Delle an seinem Kopf war deutlich zu sehen.
Boreas runzelte die Stirn, auch wenn sein Blick nicht unfreundlich war. »Was soll das, Aryn?«
Sie holte tief Luft in der Erwartung, dass es schwierig sein würde, die Worte zu formulieren, aber das war es nicht. »Ich habe an diesem jungen Mann ein ernsthaftes Unrecht begangen. Und an seiner Familie auch.«
Die junge Frau – ihr Name
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