Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
gekommen, um uns etwas Bestimmtes zu sagen – er will uns bloß zeigen, wie viel Macht er über uns hat. Darum sind wir auch hier, wo uns jeder sehen kann, statt in einer Kerkerzelle unter Deck. Ein bitteres Gefühl stieg in ihr auf, und es dauerte einen Augenblick lang, bis ihr klar wurde, dass es Verachtung war.
»Wie hast du uns gefunden, Kelephon?«, wollte Falken wissen. »Soweit du wusstest, war Grace doch nicht mal mehr auf Eldh.«
Die Stimme des Barden war schroff, seine Haltung ablehnend, aber Grace entging das Funkeln in seinem Blick nicht, und sie war davon überzeugt, dass er zu dem gleichen Schluss über Kelephon gekommen war wie sie. Das war ihre Chance, Informationen von dem Runenmeister zu bekommen.
»Es war ein glücklicher Zufall«, sagte Kelephon; seine Stimme wurde zu einem höhnischen Säuseln. »Du musst wissen, ich bin zufällig einem alten Freund von dir und Melindora begegnet. Wie war noch mal sein Name? Wie hieß er doch gleich? Ach ja – sein Name war Tome.«
Falken riss die Augen auf. »Nein!«
»Dein Freund war sehr hilfreich.« Kelephons schmale Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Bevor ich ihm begegnete, hatte ich schon angefangen zu verzweifeln, dass ich Fellring niemals bekommen würde, dass ich eine Möglichkeit finden musste, meine Pläne ohne das Schwert zu realisieren. Dann stieß ich im Winterwald auf euren Freund Tome. Findest du nicht, dass es für einen so gebrechlichen alten Mann ziemlich leichtsinnig war, dort allein umherzuwandern? Und weißt du, ich glaube, er hat dich gesucht, Falken. Nach einer gewissen Aufmunterung hat Tome enthüllt, dass Ralena wieder auf Eldh war. Danach war alles ganz einfach. Der Fahle König hat überall seine Spione, und sie erhielten eine Beschreibung, wonach sie Ausschau halten mussten. Bald wusste ich, dass Ralena in Galspeth gesehen worden war.«
Grace hielt sich die Stirn; sie fühlte sich fiebrig. »Esoida«, sagte sie. »Die Nichte des Kleiderverkäufers. Sie hat meine Kette gesehen. Sie muss es dem örtlichen Anführer des Rabenkultes erzählt haben. Darum haben uns die schwarzen Ritter verfolgt.«
»Tome.« Falkens Stimme war ein Krächzen. »Was hast du mit ihm gemacht?«
Kelephon seufzte dramatisch. »Es war dumm von ihm, meinen Runen zu widerstehen. Was er mir aus freien Stücken hätte geben können, war ich gezwungen, mir zu nehmen. Am Ende hatte er nicht mehr Substanz als ein alter Lappen. Er hat sich unter meinen Augen in Luft aufgelöst, und der Wind hat ihn in alle Richtungen davongetragen.«
Falken senkte den Kopf, und Beltan lehnte sich gegen den Mast und stieß ein Brüllen aus. Nur Vani sah verblüfft aus; die T’gol hatte den sanften alten Mann mit den goldenen Augen nicht kennen gelernt. Tome war einer der weniger bedeutenden Neuen Götter gewesen, die ihre himmlische Heimat aufgegeben hatten, um in menschlicher Gestalt auf Eldh zu wandeln und gegen die Nekromanten zu kämpfen. Jetzt war er nicht mehr, und Melia war die Letzte ihrer Art. Grace verspürte einen Stich der Trauer, aber einen Augenblick später wurde er von Zorn ersetzt. Wer, glaubte Kelephon eigentlich, dass er war, ein so freundliches Wesen vernichten zu können?
Aber was galt dem Runenmeister schon ein Leben – ob es nun ein ehemaliger Gott war oder nicht. Hatte er nicht eine ganze Nation verdorben?
»Wie habt Ihr das angestellt?«, fragte sie in dem Wissen, dass er es ihr begeistert erzählen würde. »Wie habt Ihr die schwarzen Ritter dazu gebracht, dass sie Euch für den Erben von Malachor halten?«
Kelephon lachte fröhlich. »Das war leichter, als ich es mir je hätte vorstellen können. Jahrhunderte lang hausten sie in Ewigsee, jammerten ihrem verlorenen kostbaren Königreich hinterher und schwelgten im Mitleid. Sie hielten es für ihren Fehler, dass Malachor unterging. Sie fanden, dass sie es hätten retten müssen. Also flohen sie nach Ewigsee, und dort erfanden sie Geschichten und schmiedeten Pläne für den Tag, an dem sie nach Malachor zurückkehren und das Königreich wieder aufbauen würden. Es war alles ziemlich traurig, ehrlich. Aber ganz egal, was sie auch planten, eine Sache fehlte ihnen: ein königlicher Erbe.«
Falken wischte sich über die Augen. »Also hast du ihnen den gegeben. Und zwar dich selbst.«
»Ganz genau«, sagte Kelephon. »Und sie waren nur allzu bereit, mir meine Geschichte zu glauben. Ich sagte ihnen, ich könnte ihnen den Weg zurück nach Malachor zeigen. Ich gab ihnen eine neue Rüstung und
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