Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
ihre Köpfe waren nach vorn gesackt; sie schliefen noch immer. Falken lag mit geschlossenen Augen in der Nähe auf dem Deck.
Grace streifte sich das Haar aus dem Gesicht. Warum war sie erwacht, wenn die anderen noch immer unter der Magie des Runenzaubers standen? Dann fiel ihr die Stimme ein, die sie gehört hatte. Vielleicht war es gar kein Traum gewesen, vielleicht hatte die Stimme tatsächlich zu ihr gesprochen und ihr geholfen, aufzuwachen. Aber wem hatte sie gehört?
Bevor sie darüber nachdenken konnte, bemerkte sie, dass sie nicht die Einzige war, die wach war. Ein paar Schritte entfernt hockte Sindar auf den Deckplanken und schaute mit seinen grüngoldenen Augen auf die See hinaus, die Knie an die Brust gedrückt, die Arme um die Beine geschlungen.
Grace sah sich verstohlen um. Drei schwarze Ritter standen in der Formation eines Dreiecks um den Mast. Sie wendeten den Gefangenen ihre Rücken zu, aber Grace glaubte keinen Augenblick lang, dass den Wächtern nicht bewusst war, was sie gerade tat. Überall an Deck standen weitere Ritter herum. Ein paar brüllten zerlumpten Sklaven, die die Taue bedienten und in die Wanten kletterten, um die Segel zu richten, Befehle zu. Von Kelephon war keine Spur zu entdecken.
Fellring an die Brust gedrückt, schlich Grace auf den silberhaarigen Mann zu. »Sindar.« Er rührte sich nicht. »Sindar.«
Er drehte den Kopf, erwiderte ihren Blick und lächelte, aber es war einer der traurigsten Ausdrücke, die Grace je gesehen hatte.
»Etwas geschieht mit mir, Grace.«
»Was meint Ihr damit? Seid Ihr verletzt?« Er schien blasser als sonst auszusehen. Hatten die schwarzen Ritter ihm etwas angetan?
Er schüttelte den Kopf, hörte aber nicht auf zu lächeln. »Ich glaube … ich glaube, ich fange an, mich zu erinnern, das ist alles. Das erste Mal ist es mir im Thronraum von Ur-Torin aufgefallen. Die Dinge kommen zurück. Nur aufblitzende Bilder, das ist alles. Wie Splitter. Aber sie kommen immer schneller.«
Grace presste die Lippen aufeinander. Im Krankenhaus hatte sie Menschen mit Gedächtnisverlust betreut; sie wusste, welchen Schaden Kopfverletzungen dem Gehirn zufügen konnten und wie verzweifelt die Opfer versuchten, ihre Identität wieder zu finden. Sie berührte mit der freien Hand seine Wange; sie fühlte sich kühl an.
Er tätschelte ihre Hand. »Ich kenne Euch, Grace. Ich weiß nicht, warum, aber ich war mir da von Anfang an sicher. Das muss der Grund sein, warum das Kleine Volk mich ausgewählt hat, euch alle zu finden. Es sind Eure Augen. Sie sind die gleichen. Daran habe ich es erkannt. Vielleicht teilen wir dasselbe Blut.«
Grace musste lächeln. »Vielleicht tun wir das.«
Bevor ihr klar wurde, wie ihr geschah, beugte sich Sindar nach vorn und küsste sie. Er roch wie von der Sonne gewärmtes Gras.
Ein Stöhnen ertönte hinter ihr; Beltan. Grace lehnte sich zurück; sie war nicht mal schockiert, eher überrascht. »Ich muss die anderen aufwecken.« Sindar nickte bloß.
Sie schloss die Augen und griff mit der Gabe zu. Die Lebensfäden der anderen stiegen sofort vor ihrem inneren Auge auf und glühten im vertrauten Licht. Sie konnte auch die Fäden der schwarzen Ritter und der Sklaven sehen, sowie einen grellen Faden in der Nähe des Schiffshecks: Kelephon.
Grace arbeitete schnell, berührte nacheinander Beltans, Vanis und Falkens Faden und flüsterte ihnen zu. Aufwachen. Es war schwer. Die noch immer präsente Runenmagie schien an ihren Händen zu ziehen und machte es beinahe unmöglich, die Fäden der Weltenkraft zu ergreifen, aber sie biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich.
Es funktionierte. Falken setzte sich auf. Beltan schüttelte benommen den Kopf, Vani blinzelte mit den goldenen Augen. Nach wenigen Augenblicken waren sie alle wach.
»Ich wusste gar nicht, dass Hexerei Runenmagie außer Kraft setzen kann«, sagte Beltan, nachdem Grace erklärt hatte, was sie gerade getan hatte.
»Ich auch nicht«, musste Grace zugeben. Sie war sich Falkens neugierigem Blick bewusst. »Was glaubt ihr, wo bringen sie uns hin?«
Falken ballte die Silberhand zur Faust. »Ich bin mir nicht sicher. Vermutlich zu einer ihrer Festungen. Er braucht einen sicheren Ort, wo er die Rune des Blutes an dir vollziehen kann.«
»Hat er das damit gemeint? Als er sagte, er wolle mein Blut?«
»Da bin ich mir sicher«, sagte Falken grimmig. »Kelephon ist ein mächtiger Zauberer. Er kann dir mit der Rune des Blutes deine Essenz aus den Adern stehlen und sie dann in etwas
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