Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
oben zum Deck des Schiffes mit den roten Segeln. Sie wandte sich wieder Kelephon zu.
»Was wirst du mit ihm machen?«, fragte Beltan.
Falkens Miene war hart. »Du solltest ihn töten, Grace. Jetzt, wo du die Gelegenheit hast.«
»Nein, ich will, dass er lebt«, sagte sie, erstaunt über die eigenen Worte. »Ich will, dass er nach Imbrifale zurückkriecht, dass er dem Fahlen König sagt, dass ich Fellring besitze und dass egal, was er auch tut, mich nichts davon abhalten wird, ihm das Eisenherz aus dem Leib zu schneiden und es einzuschmelzen.« Sie ließ das Schwert tanzen und zeichnete einen schmalen roten Strich auf Kelephons Hals. »Habt Ihr verstanden?«
Die kalten Augen des Runenmeisters waren hasserfüllt. »Ich habe genau verstanden.«
Grace wartete, bis die anderen auf der silbrigen Planke standen, dann wich sie rückwärts darauf zu, Fellring die ganze Zeit hoch erhoben. Kelephon bewegte sich nicht. Er sah reglos zu, wie die vier die Planke hinunter auf das Weiße Schiff gingen. Grace fühlte noch immer Aryns Anwesenheit in ihrem Bewusstsein. Sie hatte keine Ahnung, wie Aryn es geschafft hatte, so weit durch die Weltenkraft zu reichen. Aber es spielte keine Rolle, ihre Neuigkeiten würden noch eine kleine Weile warten müssen, bis sie in Sicherheit waren.
Auf dem Deck huschten Gestalten umher. Die Planke wurde eingezogen. Das Weiße Schiff raste los, weder von Segeln noch von Rudern angetrieben. Kelephons Schiff schrumpfte zu einem schwarzen Fleck, dann war es zusammen mit dem Runenmeister in der Ferne verschwunden.
»Ich glaube, das war ein Fehler, Grace«, sagte Falken leise. Die Lippen des Barden waren von dem Eis noch immer blau angelaufen, aber auf dem Elfenschiff war es warm. Er würde sich erholen, genau wie Vani und Beltan. Der Ritter legte der Meuchelmörderin einen Arm um die Schultern, als wollte er sie stützen; es war eine seltsam zärtliche Geste.
Grace richtete den Blick auf Falken. »Du glaubst also, Kelephon hätte noch immer die Macht, uns zu schaden?«
»Ich weiß es.«
Ihr entfuhr ein Seufzer. Sie war völlig erschlagen. »Ich schätze, du hast Recht. Aber ich musste es tun. Ich will, dass der Fahle König weiß, dass Fellring wieder wie neu ist.«
Falken musterte sie. »Warum, Grace?«
»Weil ich will, dass er genauso viel Angst hat wie ich in diesem Augenblick.«
Sie schwiegen, während das Weiße Schiff sie nach Süden brachte, fort von dem Eis und den toten Ländern des Nordens.
27
Als Travis wieder in der Pension eintraf, war Sheriff Tanner aufgewacht.
»Kurz nachdem Ihr weg ward, hat er die Augen aufgeschlagen«, sagte Lirith, die ihm in der Vorhalle begegnete. Sie hatte gerade einen Topf mit heißem Wasser aus der Küche geholt.
Travis holte tief Luft. »Ist er …?«
»Es geht ihm gut. Das heißt, es wird ihm wieder gut gehen. Im Augenblick ist er noch sehr schwach. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis er sich völlig erholt hat.«
»Aber das Laudanum …?«
Lirith seufzte. »Ja, selbst jetzt wird sein Körper noch immer danach verlangen. Aber ich kann ihm Kräuter geben, die das Verlangen dämpfen. Mit ihnen und viel Zeit glaube ich, dass er es schaffen kann, das Laudanum hinter sich zu lassen. Er hat einen starken Willen.«
Und selbst ein starker Mann braucht manchmal Hilfe. Travis musste an die Worte denken, die Niles Barrett im Saloon zu ihm gesagt hatte. Nur ein Mann, der außerhalb des Gesetzes steht, kann jene aufhalten, die das Gesetz in die eigenen Hände genommen haben. Aber jede Hoffnung ist sinnlos. Tyler Caine war der letzte große Friedensstifter in diesem Teil des Westens. Und alle Geschichten behaupten, dass er tot ist …
Genau das Gleiche hatte Bruder Cy gesagt. Hoffnung ist sinnlos. Also konnte man genauso gut etwas tun.
»Was ist, Travis?« Lirith berührte seinen Arm. »Ihr seht so verändert aus. Ist da draußen etwas passiert?«
Travis dachte an die Begegnung mit Bruder Cy. Wie der Prediger am Ende den Leichenwagen geschlossen hatte und auf den Kutschbock gestiegen war.
Ich nehme mal an, ich sehe Sie wieder, hatte Travis gesagt.
Bruder Cy hatte ihn mit seinen schwarzen Augen angesehen. Das wirst du, mein Sohn, das wirst du. Dann hatte der Prediger die Zügel schnalzen lassen, und der Wagen war losgerattert und in einer Staubwolke verschwunden.
»Ich muss mit dem Sheriff sprechen. Darf ich zu ihm?«
Lirith ging voraus. Tanner saß aufrecht im Bett. Seine Haut war leichenblass, und die Brust unter dem weißen Unterhemd war
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