Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
Mohg jemals die Kontrolle über Sinfathisar und Krondisar gewannen?
Manche Dinge sollte man zerstören …
Es war Zeit. Er schob das Stilett in seinen Gürtel, gefolgt von einem kleinen Geldbeutel. Er hätte gern mehr Gold aus Melias Vorrat genommen, aber es reichte, damit er eine Zeit lang zurechtkam, und Melia um mehr Geld zu bitten hätte möglicherweise ihren Verdacht geschürt. Die anderen würden natürlich nach ihm suchen wollen. Er musste sie wissen lassen, dass das sinnlos war. Er hatte kein Pergament, also schrieb er mit einem Stück Holzkohle etwas auf die glatte Oberfläche der Kaminplatte und erhob sich dann.
Er nahm das Eisenkästchen in die linke Hand und fummelte mit der rechten in einer Tasche herum, bis er die halbe Silbermünze fand, die Bruder Cy ihm vor scheinbar einer Ewigkeit gegeben hatte. Im Schwarzen Turm hatte er die Splitter der Münze wieder eingesammelt, die er Lirith, Durge und Sareth auf der Erde gegeben hatte. Als er Eru gesprochen hatte, die Rune des Bindens, hatten sich die Splitter wieder vereint, ohne sichtbare Risse zu hinterlassen.
Travis drehte die halbe Münze in der Hand und betrachtete die fragmentierten Runen auf beiden Seiten: Eldh und Erde. Die Münze war eine gebundene Rune, das war ihm mittlerweile klar, und eine mächtige obendrein, denn ihre Magie funktionierte selbst dann, wenn sie in mehrere Stücke geteilt war. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn Olrig selbst diese Rune erschaffen hätte.
Er schloss die Finger um die Münze. Und wenn Grace ihre Hälfte der Münze dazu benutzt, dir zu folgen?
Das würde sie nicht tun. Sosehr sie auch fürchtete, um was Falken sie bitten würde, Travis wusste, dass sie es Falken nicht abschlagen konnte. Davon abgesehen war er mittlerweile davon überzeugt, dass die Münze bei ihr nicht so funktionieren würde wie bei ihm. Sie hatte die Macht, einen zu seiner Welt zurückzutransportieren. Eldh war Graces Welt. Travis gehörte nicht hierher.
Er vergewisserte sich, dass er das Eisenkästchen gut im Griff hatte, dann hob er die Hand mit der Münze.
»Lebt wohl, ihr alle«, flüsterte er.
Silbernes Licht strahlte zwischen Travis' Fingern auf, und die Welt verblasste.
8
Grace stand in ihren mit Pelz gefütterten Umhang gehüllt auf dem Wehrgang und sah zu, wie die tarrasischen Soldaten in geschlossener Formation auf das Schloss zumarschierten. Das Sonnenlicht ließ Speere und Brustpanzer funkeln; schwarze Pferde stolzierten mit hoch erhobenen Köpfen umher. Graces Herz tat einen Sprung. Vielleicht würden sie ja doch gegen den Fahlen König bestehen können. Sie schaute an der ersten Kompanie Soldaten vorbei und sah …
… nur die leere Straße, so weit das Auge reichte.
»Eine Kompanie«, knurrte Sir Tarus neben ihr angewidert. »Er nennt sich einen Kaiser, und doch schickt er bloß eine Kompanie.«
Trompeten schmetterten. Die Schlosstore öffneten sich, und die Soldaten traten ein – achtzig zu Fuß, zwanzig Berittene. Die Tore schlossen sich viel zu schnell wieder hinter ihnen.
Grace seufzte, ihr Atem verwandelte sich in eine weiße Fahne. Man schrieb den zehnten Tag des Durath, für das gewöhnliche Volk war es der Eisenmonat. Seit ihrer Rückkehr nach Calavere waren drei Wochen vergangen, und über einen Monat, seit Boreas zu den Waffen gerufen hatte. Die Tarrasianer waren die Letzten, die eingetroffen waren, aber sie waren bei weitem nicht die zahlenmäßig wenigsten.
»Wir sollten zu ihm gehen«, sagte Grace. Die Vorstellung sagte ihr nicht besonders zu.
Tarus stampfte mit den Stiefeln auf. »Er wird nicht erfreut sein.«
»Nein«, sagte Grace mit einem Lächeln so schwach wie das Licht der Nachmittagssonne. »Das glaube ich auch nicht.«
Wie sich herausstellte, war nicht erfreut eine leichte Untertreibung. Sie hörten das Gebrüll des Königs drei Korridore weit entfernt. Als sie sich seinen Gemächern näherten, begegnete ihnen der Hauptmann der tarrasischen Kompanie. Er war ein kleiner, kräftiger Mann mit schwarzen Augen und einem glatt rasierten Gesicht, dessen Züge so hart waren, dass es wie aus Bronze gegossen erschien. Sein roter Umhang flatterte, als er an ihnen vorbeiging.
»Ich würde sogar sagen, er ist richtig wütend«, meinte Grace.
Tarus ergriff ihren Ellbogen. »Kommt, Mylady. Wir haben schon ein Loch in der Schlossmauer. Es ist unnötig, dass er mit bloßen Fäusten noch eines hineinschlägt. Vielleicht könnt Ihr ihn beruhigen.«
Grace wollte Tarus sagen, dass Lirith diejenige war,
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