Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
alle unsere Aufgaben.«
Grace trank einen Schluck. »Welche Aufgaben meinst du?«
Aryn und Lirith tauschten einen Blick aus, und das Feuer verlor seine Wärme. Grace wusste, dass die beiden Hexen im vergangenen Sommer, als sie in Denver gewesen war, auf Ar-Tolor an dem Großen Hexenzirkel teilgenommen hatten. Sie wusste nicht genau, was dort vorgefallen war, aber im Verlauf der Zeit hatte sie hier und da etwas aufgeschnappt. Genug, um beunruhigt zu sein.
»Boreas hat die Krieger von Vathris gerufen«, sagte Lirith. »Die Männer des Stiers bereiten sich auf die Letzte Schlacht vor.«
Grace glaubte keine Luft mehr zu bekommen. »Das kannst du nicht tun, Lirith. Du kannst mich nicht bitten, mich gegen ihn zu stellen. Ich weiß, dass die Hexen die Feinde der Krieger sind, aber ich habe König Boreas mein Wort gegeben, und nichts kann mich dazu bringen, gegen ihn zu arbeiten.«
»Nein, das kann nichts«, murmelte Lirith und schaute in ihren Pokal. »Du bist nicht wie ich und Aryn Teil des Musters. Es gibt keine Fäden, die deine Handlungen binden, aber Aryn und ich müssen tun, was das Muster befiehlt. Und es befiehlt uns, die Krieger und Travis Runenbrecher unter unsere Kontrolle zu bekommen, damit sie nicht zusammenarbeiten und die Welt zerstören.«
Grace schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht glauben, Lirith. König Boreas ist alles andere als ein böser Mensch. Und Travis würde niemals etwas tun, um Eldh zu schaden. In diesem ganzen Wahnsinn ist das das Einzige, das ich fest glaube.«
Lirith seufzte. »Ich stimme dir zu, Schwester. Ich habe selbst erlebt, was für ein gütiger Mann er ist, aber ich habe auch die Macht kennen gelernt, über die er gebietet, und dass er sie nicht immer unter Kontrolle hat. Dennoch würde ich nicht gegen Travis oder König Boreas arbeiten wollen, aber es ist nicht möglich, dem Muster zu entkommen.«
»Eigentlich«, sagte Aryn leise, »geht das doch.«
Grace starrte die Baronesse an. Lirith stellte den Pokal ab, rutschte vom Stuhl und kniete sich neben Aryn auf den Teppich. »Wovon sprichst du, Schwester?«
Aryn lehnte sich zurück. In ihren blauen Augen lag ein gehetzter Ausdruck, aber da war auch Entschlossenheit zu sehen. »Ich habe mich einem Schattenzirkel angeschlossen.«
Lirith keuchte und riss die Augen weit auf. Grace verstand nicht, was diese Worte zu bedeuten hatten, nicht so wie Lirith, trotzdem verspürte sie einen Schauder.
»Schwester«, sagte Lirith und streckte den Arm aus, als wollte sie Aryn berühren. »Was hast du getan? Die Schattenzirkel wurden vor langer Zeit verboten, und das aus gutem Grund. Viele der Hexen, die ihnen angehörten, waren bösartig in Gedanken und Taten.«
»Aber nicht alle«, sagte Aryn trotzig. »Erinnerst du dich an Schwester Mirda?«
Grace sagte der Name nichts, aber Lirith nickte. »Sie war beim Großen Hexenzirkel dabei. Wir haben nie erfahren, wo sie herkam, aber es waren ihre Worte, die das Muster abgemildert haben. Wäre sie nicht gewesen, würden die Hexen nicht versuchen, Travis Wilder zu kontrollieren, sondern ihn zu töten.«
»Sie kam vor der Wintersonnenwende nach Calavere«, sagte Aryn. »Als Königin Ivalaine Prinz Teravian brachte.«
»Sie war es also, die da bei dir war«, sagte Grace. Ihr wurde einiges klar. »Als du durch die Weltenkraft mit mir gesprochen hast, als wir auf Kelephons Schiff Gefangene waren, da spürte ich jemanden an deiner Seite. Das war diese Mirda, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Aryn.
Während das Feuer niederbrannte, erzählte sie den anderen von dem Schattenzirkel und was Schwester Mirda ihr enthüllt hatte. Dass den Prophezeiungen der Hexen zufolge der mit dem Namen Runenbrecher Eldh zerstören würde, dass es noch andere Prophezeiungen gab, die genauso alt waren und verkündeten, dass der Runenbrecher Eldh auch retten würde. Weil diese Vorstellung aber den meisten nicht einsichtig war – wie konnte die Welt zugleich zerstört und gerettet werden –, zogen es die Hexen vor, die zweite Reihe der Prophezeiungen zu ignorieren.
Aber im Verlauf der Jahre hielten ein paar Hexen die Erinnerung an sie aufrecht. Der Schattenzirkel, zu dem Mirda gehörte, arbeitete darauf hin, die Sache des Runenbrechers zu unterstützen, dafür zu sorgen, dass sich sein Schicksal erfüllte. Und die Krieger von Vathris waren ein Teil jenes Schicksals.
»Ich wusste es«, sagte Grace mit vom Wein und vom Feuer und der Aufregung geröteten Wangen. »Ich wusste, dass Travis Eldh niemals zerstören
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