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Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters

Titel: Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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zuvor dort gewesen.«
    Durge sah sie ungläubig an, und sie musste an den Tag denken, an dem sie und Travis sich auf Calavere auf die Suche nach Trifkin Moosbeere gemacht hatten. Sie hatten das Gemach des kleinen Mannes betreten, nur um sich nicht mehr im Schloss, sondern in einem Wald wiederzufinden, den es unmöglich dort geben konnte. Selbst damals hatten sie nicht gewagt, sich länger dort aufzuhalten, nicht einmal unter Trifkin Moosbeeres Schutz. Durge hatte Recht; dieser Wald war gefährlich für Sterbliche. Aber das Kleine Volk wollte ihr irgendetwas sagen, und sie würde herausfinden, was es war.
    »Ich gehe rein«, sagte sie und nahm ihren Mut zusammen. »Ihr könnt hier bei den Pferden warten.«
    »Das glaube ich kaum, Mylady«, sagte Durge mit einem indignierten Seitenblick.
    Grace dachte erst gar nicht daran, sich mit ihm deswegen herumzustreiten. Sie nahm seine Hand, und sie betraten den Wald zusammen.
    Als sich die Bäume um sie herum schlossen, brachte das eine gewisse Stille mit sich. Auf den kahlen Ästen über ihren Köpfen flatterten keine Vögel herum, keine kleinen Tiere raschelten durch das Unterholz. Das einzige Geräusch kam von dem Schnee unter ihren Füßen, den sie zerstampften.
    In der Welt draußen war die Morgendämmerung angebrochen, aber hier war es, als wäre die Sonne noch nicht aufgegangen. Die Luft wies ein nebelhaftes Grau auf, und die Bäume drängten sich aneinander, so dass es zuerst nicht einfach war, eine Route auszuwählen. Aber bald kamen sie zu einem Pfad, der vermutlich von Hirschen und Ebern erschaffen worden war. Soweit Grace es feststellen konnte, führte der Pfad ins Herz des Waldes, und sie nahmen ihn.
    »Das gefällt mir nicht«, grollte Durge. »Es erscheint zu einfach, so schnell auf einen Pfad zu stoßen.«
    »Vielleicht ist heute unser Glückstag«, sagte Grace. Sie wollte noch etwas sagen, aber obwohl sie gedämpft gesprochen hatten, hallten ihre Stimmen in der reglosen Luft auf eine unangenehme Weise wider.
    Durge schüttelte den Kopf. »Denkt an meine Worte, dieser Pfad ist sicherlich verflucht. Er wird uns in eine Schlucht führen oder über eine Klippe oder in ein anderes unschönes Ende.«
    Trotz ihres Unbehagens hätte Grace beinahe gelacht. Sie wusste, dass es nicht Durges Absicht war, aber irgendwie schienen seine düsteren Warnungen sie immer aufzumuntern. Sie fasste seine Hand fester und versuchte nicht an die Märchen zu denken, in denen Kinder in dunklen Wäldern immer ein böses Ende fanden.
    Schon bald verlor sie jedes Zeitgefühl. Sie erwartete, dass die Luft heller wurde, sobald die Sonne höher in den Himmel stieg, aber wenn überhaupt, wurde das Licht nur noch grauer. Die Bäume sahen für sie alle gleich aus – groß und schlank, mit bleicher Rinde –, und der Pfad schlängelte sich nach links und nach rechts, führte sie aber im Großen und Ganzen immer tiefer in den Wald hinein. Trotz ihrer schweren Kleidung und der körperlichen Anstrengung kroch die Kälte langsam in ihre Glieder, und an Durges Schnurrbart bildete sich Eis.
    Schließlich sah Grace ein, dass sie umkehren mussten. Sie zitterte so sehr, dass sie kaum noch geradeaus gehen konnte, und Durge konnte trotz heroischer Bemühungen nicht verhindern, dass seine Zähne laut klapperten. Sie hatten nicht einmal ein Eichhörnchen gesehen, geschweige denn einen Zwerg oder einen Grünen Mann. Sollte das Kleine Volk tatsächlich hier leben, dann wollte es nicht gefunden werden. Grace wandte sich Durge zu, um ihm zu sagen, dass es zwecklos war, dass sie umkehren mussten.
    Ein hoher, trillernder Laut hallte durch die Luft und verlor sich zwischen den Bäumen.
    »Was war das?«, flüsterte Grace. Das war kein Glockenspiel gewesen.
    »Das war ein Horn«, sagte Durge.
    Der Laut ertönte erneut, nur diesmal war er näher – es war ein so hoher und reiner und wilder Ton, dass Graces Herz in einem schnellen, unvertrauten Rhythmus schlug.
    »Für mich hört sich das wie ein Jagdhorn an«, sagte Durge und schaute sich um. Der Pfad hatte sich zu einer kleinen Lichtung verbreitert.
    Grace legte die Arme um den Körper. »Der Jäger des Königs würde doch nicht so tief in den Wald vorstoßen, oder?«
    »Möglicherweise schon, wenn er einer fetten Hirschkuh auf der Spur wäre«, erwiderte Durge, aber er klang nicht sehr überzeugt.
    Grace hoffte, dass es wirklich der Jäger des Königs war und dass er Decken und eine Feldflasche mit gewürztem Wein dabeihatte.
    Das Horn schmetterte erneut, diesmal

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