Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher
um, schlurfte davon und verschwand die Treppe hinunter.
Grace blickte wieder zu den dunklen Säulen, die am fernen Himmel in die Höhe stiegen. Dann steckte sie die Rune in die Tasche und folgte der Alten.
Während der nächsten drei Tage ging die Instandsetzung von Burg Todesfaust in einem wahnwitzigen Tempo voran. Grace bezweifelte, dass die Festung jemals ein so seltsames Heer wie dieses beherbergt hatte. Da waren Ritter und Soldaten aus allen sieben Domänen, die an der Seite von Hexen und Runensprechern und Königin Inaras Spinnenmännern arbeiteten. Und König Kel hatte nicht nur seine Krieger mitgebracht, sondern seine sämtlichen Anhänger.
Das Ergebnis war, dass wenn strenggesichtige embarranische Ritter nach Tauen oder Hämmern riefen, diese Dinge oftmals von Frauen mit schmutzigem Haar und anzüglichem Lächeln gebracht wurden – was selbst die stoischen Embarraner das eine oder andere Mal blinzeln ließ. Die Aufgabe der Lagerköche wurde von König Kels Tiermännern erleichtert, die den ganzen Tag durch das Unterholz des Tals krochen, Hasen und Wachteln mit bloßen Händen fingen und sie für die Kochtöpfe anschleppten – für gewöhnlich zwischen den Zähnen.
Trotz der zusammengewürfelten Natur des Heers hatte jeder seinen Platz. Die Embarraner waren mehr als tapfere Krieger; sie waren hervorragende Baumeister. Unter dem Kommando von Durge und Sir Vedarr setzten sie in Rekordzeit die Mauern instand. Sie bauten Schlitten, die auf Baumstämmen rollten, so dass massive Steine bewegt werden und dann mit Hebeln an Ort und Stelle gehoben werden konnten, und sie mischten Mörtel aus Lehm und Kalkstein, die unweit der Festung gefunden wurden. Sie bauten ebenfalls eine Reihe von Schleusen, die Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle heranbrachten, und sie konstruierten Pumpen, die das Wasser zu einer Zisterne oben auf den Wehrturm beförderten, wo man es dazu benutzen konnte, Feuer zu löschen.
Auch die Runensprecher erwiesen sich als unersetzlich. Am ersten Tag gingen sie unter Oragiens Führung zu einem stillgelegten Steinbruch. Dort sprachen sie immer wieder die Rune des Steins und spalteten Schieferplatten in kleinere Stücke. Bald gab es genug Schindeln, um die Dächer der Unterkünfte und des Turms zu reparieren. Danach verbrachten sie ihre Zeit in der Festung und auf der Mauer und sprachen die Runen von Holz und Stein, bis sie heiser waren. Dank der Macht der Zauber blieben selbst die schwersten Balken und massivsten Steinblöcke kooperativ, wenn die Männer sie an Ort und Stelle brachten.
Die Hexen webten ihre eigenen Zauber, und auch wenn es sich um eine subtile Magie handelte, waren sie mächtig. Sie segneten das Wasser der Quelle, damit es sauber blieb und einem müden Mann Kraft und Stärke verlieh. Am Fundament der großen Mauer wuchsen Brombeersträucher, und die Hexen verbrachten viele Stunden damit, die Stränge der Weltenkraft zu weben und die dornigen Büsche dazu zu ermuntern, zu einer großen Höhe zu wachsen, bis sie bald selbst wie eine Mauer waren.
Grace half bei den Zaubern, wenn es ihr möglich war, und half zusammen mit Senrael und Lursa – die ihre Position als Jungfrau des Zirkels behalten hatte – die Magie des Zirkels zu leiten. Als Grace sie fragte, wie sie den Avancen des Ritters, mit dem sie getanzt hatte, widerstanden hatte, blinzelte Lursa ihr nur zu.
»Er glaubt, ich habe ihm nicht widerstanden.«
Grace starrte sie an. »Ihr meint, Ihr habt ihn mit einem Illusionszauber belegt?«
»Nur mit einem kleinen, Schwester. Erotik allein reicht schon aus, um den Verstand eines normalen Mannes zu verwirren; da braucht man eigentlich keine Magie mehr. Es fiel nicht schwer, ihn glauben zu lassen, dass er etwas mehr bekam, als tatsächlich geschah.«
Senrael kicherte. »Das ist mein Mädchen! Ihr verdient einen Mann des Friedens als Ehemann, nicht einen des Krieges.«
Aber als Lursa und Senrael gingen, fiel Grace auf, dass der Blick der jungen Hexe über den Hof schweifte und auf einen Ritter fiel, der sein Schwert schärfte – es war er. Er schaute auf und winkte Lursa zu, in seine Augen trat ein Leuchten, und ein Lächeln umspielte die Lippen der jungen Frau. Grace musste ebenfalls lächeln; etwas sagte ihr, dass Lursa keineswegs vorhatte, die Illusion für immer aufrechtzuerhalten.
Später an diesem Tag unterhielt sie sich mit Aldeth. Wie alle waren auch die Spinnenmänner fleißig. Sie hatten die Festung und das umgebende Land erforscht, und Aldeth brachte
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