Die letzte Rune 10 - Der Runenbrecher
haben?«
Deirdre sah aus dem Fenster. »Ich habe Hilfe erhalten. Ich bin mir nicht sicher, wer er ist. Er hat mir niemals seinen Namen verraten, aber er weiß Dinge … Dinge, die nur einer der Philosophen wissen kann. Ich glaube … nein, ich weiß, dass er einer von ihnen ist.«
»Mannomann«, sagte Anders leise; seine Augen weiteten sich. »Darum also waren Sie so geheimnisvoll. Sie kriegen alle möglichen geheimen Informationen von einem der Philosophen. Ich kann Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie das für sich behalten.«
Deirdre zuckte zusammen. »Doch, das können Sie. Wir haben uns versprochen, keine Geheimnisse voreinander zu haben, nicht wahr?« Sie nahm einen Umschlag vom Tisch. »Er hat mir das hier geschickt.«
»Was ist das?«, fragte Vani und kam geschmeidig näher.
»Ich bin mir nicht sicher. Baupläne von irgendeinem Gebäude.« Sie zog ein großes Blatt Papier aus dem Umschlag und entfaltete es. »Ich vermute, er wollte mir damit helfen, aber ich kann nichts damit anfangen.«
Ein Summen füllte Travis' Kopf, als er den Plan in Deirdres Händen anstarrte. Er hatte das Gebäude nie betreten, er hatte es nur im Fernsehen gesehen. Trotzdem war er sich sicher. Da war die Bühne und der Ozean aus Sitzen.
»Es ist die Stahlkathedrale«, sagte er und strich mit der Hand über die Pläne. »Sie muss es sein.«
Die anderen warfen ihm verblüffte Blicke zu. Aber er wurde von Sicherheit erfüllt – sie war so scharf und kalt wie Eis. Es gibt noch einen Ort, an den du gehen kannst. In das Herz des Schattens selbst …
Er stand wieder auf und nahm den Plan. »Gebt mir das Telefon«, sagte er. »Ich muss Anna Ferraro anrufen. Ich muss ihr sagen, dass ich weiß, wie ich sie ins Fernsehen bringe.«
ZWEITER TEIL
Zwei Festungen
11
Schwester, es ist Zeit. Aryn riss die Augen auf und schoss auf ihrem Stuhl hoch. Das Gemach war eiskalt; das Feuer musste sich vor langer Zeit ausgebrannt haben. Wie spät war es? Sie hatte nicht einschlafen wollen. Sie hatte die ganze Nacht lang nähen wollen, mit jedem Stich Magie in das Tuch weben wollen, aber am Ende war sie dann doch wohl eingenickt. Sie schaute aus dem Fenster. Durch das Glas schimmerte graues Licht.
Bitte, Schwester, kannst du mich hören?
»Lirith, bist du das?«, krächzte sie, zu benommen, um die Worte bloß zu denken.
Liriths vertraute Stimme klang in ihrem Bewusstsein auf. Sia sei Dank, du bist wach. Es gilt keinen Augenblick zu verschwenden. Die Krieger versammeln sich bereits auf dem Feld unterhalb des Schlosses. Sie werden bei Sonnenaufgang losmarschieren. Sareth und ich gehen jetzt auf den Oberen Burghof. Triff uns dort.
Bevor Aryns umnebelter Verstand eine Antwort bilden konnte, war Lirith verschwunden. Aryn stieß einen Laut der Unmut aus; es gab so vieles, das sie die Hexe fragen wollte. Aber es war zu gefährlich, über die Weltenkraft zu sprechen, was Lirith natürlich wusste; man konnte unmöglich wissen, wer zuhörte.
Außerdem kann man nicht lügen, wenn man durch die Stränge der Weltenkraft spricht. Willst du Lirith erzählen, dass du sie und Teravian vergangene Nacht beobachtet hast? Willst du ihr erzählen, dass du Magie benutzt hast, um ihnen zuzusehen, wie sie …
Trotz der Kälte schoss eine heiße Welle der Scham durch sie hindurch. Oder handelte es sich um ein anderes Gefühl der Wärme? In Gedanken sah sie erneut Teravians schlanken, bleichen Körper, wie er sich im Rhythmus mit Liriths weichem, dunklem Fleisch bewegt hatte.
Aryn schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was dieser Tag bringen würde, aber wenn sich die Dinge so entwickelten, wie sie fürchtete, würde sie jeden Gedanken an Gnade und Zärtlichkeit aus ihrem Kopf verbannen müssen. Der Fahle König hatte seine Sklaven mit Herzen aus Eisen, die ihm dienten. Sollte für die Domänen auch nur noch eine Spur Hoffnung bestehen, würde Aryn ihr Herz härten müssen – wenn schon nicht zu einem Eisenklumpen, dann zumindest in ein Ding aus Eis.
Sie berührte das Halstuch auf ihrem Schoß. Es war jetzt mit Stickerei besetzt, die feinen Stiche formten komplizierte Muster aus Blutrot und Gold. Sie hatte so geschickt genäht, dass der Blutfleck durch das Muster so gut wie unsichtbar war. Vor ihrem inneren Auge leuchteten schimmernde grüne Stränge neben den einfachen Fäden aus Rot und Gelb. Aber es war noch nicht fertig; da war noch eine Ecke des Tuches, die sie nicht hatte besticken können, und jetzt war keine Zeit mehr. Sie würde hoffen
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