Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
wusste, dass es auf Schnelligkeit ankam, aber sie fragte sich, ob es nicht besser sein würde, einen Tag in der Stadt zu bleiben, um Larad zu neuen Kräften kommen zu lassen.
»Bei allem nötigen Respekt, Euer Majestät«, sagte der Runenmeister, »ich würde lieber sofort reiten. Im Augenblick will ich so weit vom Wasser weg sein, wie es geht.«
»Dann sollt Ihr Euren Wunsch erfüllt bekommen«, sagte Avhir, der inmitten eines Staubwirbels erschien. »Die anderen haben Kamele und Vorräte für unsere Reise besorgt. Wir brechen sofort nach Hadassa auf.«
Grace biss sich auf die Zunge, um dem T'gol nicht zu danken. Sie warf einen Blick auf das Schiff – ihre letzte Verbindung zu dem Land im Norden –, dann folgte sie Avhir und Larad durch die sandigen Straßen von Qaradas.
19
Der blonde Matrose ging den Pier entlang, fort von dem festgemachten Schiff.
»Wo willst du hin, Madeth?«, rief eine raue Stimme. Am Ende des Piers hatte sich eine Gruppe seiner Schiffskameraden versammelt. »Wir wollen Wein und ein paar Tänzerinnen suchen. Ich habe gehört, dass sie in Qaradas unter all den wehenden Schleiern nichts tragen.«
Der Matrose namens Madeth ging ungerührt weiter.
»Ach, vergiss ihn doch«, sagte der andere Mann. »Er ist noch immer ein Junge. Er würde uns nur im Weg sein.«
Die Matrosen gingen das Dock entlang. Das war gut. Er durfte nicht zulassen, dass man ihn sah.
Warum?, fing ein Teil von ihm an zu fragen. Warum darf man mich nicht sehen? Wo gehe ich hin?
Aber diese aufbegehrenden Gedanken wurden schnell von einem heißen Blutschwall in seinem Hirn ertränkt. Seine Beine bewegten sich mit mechanischer Effizienz, trugen ihn in die Stadt. Seine Blicke schweiften hin und her, bis sie das fanden, was sie suchten: eine Gassenmündung zwischen zwei weißen Gebäuden. Er betrat die Gasse, fort aus der heißen Sonne, und ließ sich von der dunkelschattigen Kühle einfangen.
Bis auf einen Hund, der ihn anknurrte, war die Gasse leer. Seine Rippen traten deutlich sichtbar hervor. Madeth ignorierte das Tier wie zuvor die Männer. Es war Zeit.
Er riss den Fetzen herunter, den er sich vor zwei Tagen um den Arm gebunden hatte. Die darunter befindliche Wunde war rot und angeschwollen. Eiter sickerte unter der Kruste hervor, rote Linien gingen von der Schramme aus und schlängelten sich den Arm hinauf. Er hatte den Schnitt beim Beladen des Schiffes davongetragen, sich den Arm an einem hervorstehenden Nagel aufgerissen, während er auf dem Dock von Kalos Kisten trug.
Was war dann geschehen? Er versuchte sich zu erinnern. Er hatte sich geschnitten, und dann war plötzlich alles dunkel, als wäre ein Schatten über ihn gefallen. Da war Schmerz gewesen – viel mehr Schmerz, als ein einfacher Schnitt am Arm hätte hervorrufen dürfen, der durch seinen ganzen Körper gefahren war. Und dann …
Oh, bei allen Göttern, dann …
Wieder sprudelte das Blut in seinem Kopf und löschte alle Gedanken aus. Er schob die Nägel der freien Hand unter den Krustenrand und riss ihn ab, drückte die Finger in die Wunde, öffnete sie und riss sie noch weiter auf.
Blut schoss hervor, und Madeth schrie.
Er taumelte gegen die Häuserwand. Dunkelrote Flüssigkeit strömte seinen Arm hinunter, regnete zu Boden, sammelte sich in einer Pfütze. Die Pfütze wurde größer, dann fing das Blut an wegzufließen, aber nicht in Richtung Rinnstein, sondern nach oben – in die Luft. Es sammelte sich, stieg vor Madeth auf, wand sich und zuckte wie einer der Wasserwirbel, die er gelegentlich auf offener See gesehen hatte. Und die er nie wieder sehen würde.
Sein Herz hörte auf zu schlagen; es war nichts übrig, das sich pumpen ließ. Die Säule aus dunkler Flüssigkeit wogte, dann nahm sie eine neue Form an: die eines Menschen. Zwei heiße Funken erschienen im Gesicht und glühten wie Augen. Sie sahen zu, wie die leere Hülle des jungen Matrosen zu Boden sank. Das Knurren des Hundes hatte sich in ein klägliches Wimmern verwandelt, während er sich tiefer in die Gasse drückte.
Ein glitzernder Arm peitschte durch die Luft, griff viel weiter, als es dem Arm eines normalen Mannes möglich gewesen wäre, und das Wimmern brach wie abgeschnitten ab. Der Arm wurde eingezogen, zerrte den Hundekadaver heran, und einen Augenblick später lagen die entleerten Überreste zusammengesunken neben der Matrosenleiche.
Der Körper der Kreatur wand sich vor Befriedigung. Sie formte sich zu einem kleinen Ball und rollte zur Gassenmündung, dort zerfloss
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