Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
sie wieder zu einer Pfütze. Diese Gestalt benötigte die geringste Energie, um sie aufrechtzuerhalten, und es war besser, wenn sie ihre Kräfte sparte; bald würde sie ihre ganze Kraft brauchen. Sie würde ruhen, solange das heiße Auge vom Himmel herabbrannte. Sobald die Dunkelheit die Welt erneut einhüllte, würde die Jagd wieder beginnen. Das Wild war in der Nähe. Sie konnte die Nähe seines Blutes schmecken. Sie würde es jagen.
Und wenn alles vorbei war, wenn sie ihren Schöpfern das Gewünschte besorgt hatte, dann würde sie es leer trinken.
20
Auf der anderen Seite der mit Mahagoni getäfelten Tür ertönte ein Krachen, und Deirdre zuckte zusammen. Das lief nicht gut. Sie hatten Beltan in dem Besucherzimmer zurückgelassen, in der Hoffnung, dass etwas Ruhe ihn beschwichtigen würde. Wieder krachte etwas. Sie versuchte sich die Ausstattung des Besucherzimmers in Erinnerung zu rufen. Dort hatten keine römischen Büsten, Ming-Vasen oder unbezahlbare mittelalterliche Artefakte gestanden, oder doch?
Jetzt nicht mehr, dachte sie.
Anders kam den Korridor entlanggeeilt, eine Tasche in der Hand. Dem Großen Geist sei Dank, er war wieder da.
»Wie geht es ihm?«, fragte Anders in seinem grollenden Tonfall. Er hatte einen neuen Anzug angezogen – einen mit zwei Ärmeln.
»Großartig«, erwiderte Deirdre. »So auf eine brüllende, alles an die Wand werfende Weise.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte der Sucher. »Große Kriegertypen haben niemals kleine, ordentliche Gefühlsausbrüche. Er muss ganz schön durcheinander sein.«
Etwas landete an der Wand und ließ sie erzittern.
»Er und das Zimmer«, sagte Deirdre. Aber das war nicht fair. Beltan zeigte nur das, was sie alle fühlten. Die Scirathi hatten Nim entführt. Travis und Vani waren durch das Tor gefolgt, aber niemand würde je in Erfahrung bringen können, ob sie es geschafft hatten, ob sie die Zauberer nach Eldh verfolgt hatten oder ob sie im Nichts zwischen den Welten gestrandet waren. Beltan hatte gerade seine Tochter kennen gelernt. Jetzt hatte er sie möglicherweise für immer verloren, und seinen Lebensgefährten dazu. Deirdre bezweifelte, dass unter vergleichbaren Umständen ihr Ausbruch gesitteter ausgefallen wäre.
»Ich habe ein paar Sachen zum Anziehen aus ihrer Wohnung geholt«, sagte Anders und hob die Tasche. »Vielleicht hilft ihm ja eine Dusche, sich wieder zu beruhigen und den Kopf klar zu bekommen. Reden wir mit ihm.«
Deirdre hatte ihre Zweifel, aber es war einen Versuch wert. »Sie gehen zuerst.«
Anders öffnete die Tür und duckte sich; eine Kaffeetasse sauste zuerst über seinen Kopf und dann an Deirdre vorbei, um an der Korridorwand zu zerschellen.
»Ey«, murmelte er. »Ich hoffe, die war nicht auf mich gezielt.«
»Sie wollten doch reingehen«, sagte Deirdre und gab ihm von hinten einen Schubs.
Keine weiteren Projektile schossen auf sie zu, während sie den Besucherraum betraten und die Tür schlossen. Die Zerstörung war nicht so schlimm, wie Deirdre befürchtet hatte, und beschränkte sich hauptsächlich auf das Kaffeegeschirr von der vorigen Nacht. Sie machte schnell eine Bestandsaufnahme des Raumes. Neben dem Kamin stand eine griechische Urne auf einem Podest, beide sahen unbezahlbar und zerbrechlich aus, aber sie waren unberührt.
Für Beltan ließ sich das nicht sagen. Er stand in der Mitte des Zimmers, seine Hände waren leer und öffneten und schlossen sich, er starrte ins Leere. Seine rechte Schläfe wurde von einem hässlichen Bluterguss verunstaltet. Sie hatte sich nie vorstellen können, wie wohl ein stolzer Krieger aussehen würde, der besiegt worden war; jetzt wusste sie es.
»Guten Morgen, Kollege«, sagte Anders mit einer Spur zu viel Fröhlichkeit in der Stimme. »Ich habe Ihnen was zum Anziehen gebracht. Ich dachte mir, sie würden sich vielleicht gern frisch machen.«
Beltan sagte nichts. Er sah sie nicht an.
Deirdre nahm ihren ganzen Mut zusammen, dann ging sie zu ihm und berührte seinen Arm. Er zitterte.
»Beltan, bitte«, sagte sie und versuchte seinen Blick einzufangen. »Rede mit uns.«
»Warum?«, sagte der blonde Mann heiser. »Was könntest du sagen, das etwas ändert? Travis ist fort. Er hat mich verlassen.«
Anders stellte die Tasche ab. »Er hat Sie nicht verlassen, Kollege. Er ist hinter Nim her. Ich würde sagen, das ist ein ziemlich großer Unterschied.«
»Und trotzdem bin ich hier, allein, ohne ihn«, sagte Beltan. »Ich bin allein. Es ist hoffnungslos.« Er wandte sich
Weitere Kostenlose Bücher