Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
sollten. Eine von ihnen kam zu nahe an den Rand und kippte. Die anderen schienen es nicht zu bemerken.
Grace wurde sich bewusst, dass Farr sie noch immer fest in den Armen hielt. Sie wehrte sich nicht. Die Vorstellung, von ihm auf diese Weise gehalten werden zu können, wenn auch nur einen Augenblick lang, fühlte sich gut an. Dann löste sie sich langsam von ihm. Er ließ sie gehen.
»Ist jeder in Ordnung?«, fragte sie und stand auf. Es war eine lächerliche Frage. Keiner von ihnen war in Ordnung, nicht nach dem, was sie erlebt hatten. Aber Farr und Larad standen auf, und Vani nickte.
»Statuen sollten sich nicht bewegen können«, sagt Nim ernst.
Grace konnte dem nicht widersprechen. Sie drehte sich um. Jetzt, wo sie so nahe davorstanden, konnte sie sehen, dass die goldene Dreieckspyramide tatsächlich sehr groß war, über fünfzehn Meter. Die dreieckige Tür schien offen zu stehen, aber sie konnte im Inneren nur Dunkelheit erkennen. Es dauerte einen Augenblick lang, bis sie ihre Gedanken gesammelt hatte, aber dann wusste sie wieder, was sie zu tun hatten. Sie ging auf die Tür zu.
Farr griff nach ihrem Arm. »Ihr könnt da nicht reingehen.«
Sie sagte kein Wort. Stattdessen schaute sie ihn bloß an. Er riss die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Alle Geschichten besagen, dass es für uns den Tod bedeutet, dort einzutreten«, fügte er kleinlaut hinzu.
Grace machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu. »Wir müssen es tun. Sie hat Travis dort hineingeführt.«
Nim machte sich aus Vanis Armen frei und sprang auf den Boden. »Er ist ein Schicksalsloser«, sagte die T'gol. »Seine Art darf dort eintreten.«
»Was ist mit ihr?« Larad wies mit dem Kopf auf Nim. »Kann sie nicht auch dort eintreten? Kann sie uns nicht den Weg bahnen?«
Vani warf dem Runenmeister einen finsteren Blick zu. »Sie ist ein Kind, kein Werkzeug. Ihr könnt sie nicht einfach benutzen!«
»So wie du sie benutzt hast, um zur Erde zurückzukehren?«, sagte Grace kalt. Sie hatte das nicht verletzend gemeint, aber so wie Vani zusammenzuckte, hatten die Worte mitten ins Mark getroffen.
»Schon gut, Mutter«, sagte Nim. In ihrer jungen Stimme lag keine Furcht mehr. »Ich will dort hineingehen. Ich will meinen Vater finden.«
Vani schien sprachlos zu sein. Sie machte keine Anstalten, um Nim aufzuhalten, als das Mädchen an Grace vorbei zur Tür ging.
Farr machte eine scharfe Geste. »Bleibt nahe bei ihr. Das ist unsere einzige Chance. Wenn sie wirklich ein Nexus ist, dann werden sich die Fäden des Schicksals in ihrer Gegenwart entschlingen.«
»Und wenn nicht?«, fragte Larad und hob eine Braue.
»Dann wird unser Schicksal zermalmt und wir hören auf zu sein.«
Grace versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war trocken. Nur ein Toter hat kein Schicksal, hatte Vanis Al-Mama zu ihr gesagt. Travis war zweimal gestorben und wiedergeboren worden: einmal in den Flammen von Krondisar und dann noch einmal in der Wüste vor Morindu. Darum war er A'narai.
Und was ist mir dir? Wirst du auch wiedergeboren werden, wenn du dort stirbst?
Sie bezweifelte es.
Nim trat in das Dreieck aus Dunkelheit. Die anderen folgten dicht aneinander gedrängt, zuerst Grace, dann Farr, Larad und schließlich Vani. Einen Augenblick lang fürchtete Grace, verloren zu sein. Die Dunkelheit hüllte sie ein. Ein Schrei stieg in ihrer Kehle auf, aber sie hatte keinen Mund, um ihm eine Stimme zu verleihen. Sie war eine Kerzenflamme. Die Dunkelheit zog sich um sie herum zusammen, eine dunkle Hand, um sie auszulöschen.
»Hier entlang«, sagte eine leise Stimme in der Dunkelheit. Nim.
Grace kam es vor, als würde sie von einem Seil gezogen, das um ihre Taille geknotet war. Dann verschwand die Dunkelheit und wurde von goldenem Licht ersetzt. Ein zitternder Atemzug füllte ihre Lungen. Sie lebte.
Genau wie die anderen auch. Larad stand neben ihr und sah erstaunt aus. Und ihm schien etwas übel zu sein. Farr blickte sich fasziniert um, aber Vanis Blick war auf etwas direkt vor ihr gerichtet. Nim trat einen Schritt vor und streckte die kleinen Hände aus.
»Vater!«
Graces erschöpfter Verstand brauchte einen Moment um alles aufzunehmen. Sie standen an der Wand eines großen, dreieckigen Raumes. In jede der anderen Wände war eine dreieckige Öffnung geschnitten; jenseits von ihnen waren die anderen beiden Brücken zu sehen. Zahllose Symbole waren in die Wände eingeschnitzt, die schräg in die Höhe strebten und sich oben an einer Stelle trafen, von der das
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