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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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marschierte heran und griff mit beiden Händen nach mir.
    »Haltet ein, habe ich gesagt«, intonierte die Stimme.
    Ralph wurde so steif wie eine Leiche, die Arme ausgestreckt, die Augen schienen ihm aus den Höhlen zu quellen. Tief in seiner Kehle ertönte ein Gurgeln, aber er gab keinen anderen Laut von sich. Eine von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Gestalt schälte sich aus den Schatten und kam in Sicht. Es war nicht der Geist von Diakon Moody.
    »Geht es dir gut, James?«, sagte er und schaute auf mich herunter.
    Ich wollte sprechen, aber ich schien so gelähmt wie die beiden Männer zu sein. Ich war seit unserer letzten Begegnung gewachsen, aber der Fremde überragte mich noch immer, und in seiner Stimme – die noch vor Momenten voller Gefahr gewesen war –, lag jetzt eine Freundlichkeit, an die ich mich erinnerte. Ein verirrter Lichtstrahl beleuchtete sein Gesicht, und ich fand es streng und weise und attraktiv.
    »Wer seid Ihr?« Schließlich fand ich den Atem, um ihn zu fragen.
    »Das ist eine lange Geschichte, und im Moment ist keine Zeit, sie zu erzählen, James. Ich möchte, dass du heute Abend mit mir kommst.«
    Ich betrachtete die beiden reglosen Männer. Speichel tropfte aus ihren Mündern.
    »Ihr könnt mit mir machen, was Ihr wollt«, sagte ich. »Ich kann Euch nicht aufhalten.«
    Er beugte sich vor und legte mir wie vor langer Zeit die Hand auf die Schulter. »Nein, James. Ich bin nicht wie sie. Ich werde dich nicht etwas tun lassen, das du nicht willst. Ich möchte, dass du mit mir kommst, weil du dich dazu entscheidest, weil du etwas Besseres für dich haben willst als das, was man dir mitgegeben hat. Weil du leben willst.«
    Ich gab ein Stöhnen von mir. So lange Zeit hatte ich mich für tot gehalten, zu keinem Gefühl fähig. Aber das war ein schrecklicher Irrtum gewesen, denn in diesem Augenblick durchbohrte ein Schmerz mein Herz und ein Verlangen kam über mich – doch ich vermochte es nicht zu benennen; ich musste nur an das Glockenspiel denken, das mich geweckt hatte, und wie klar der Laut gewesen war. Ich dachte auch an Diakon Moody und wie er mich hatte retten wollen. Vielleicht hatte er es ja doch geschafft.
    »Ich komme mit Euch«, sagte ich.
    »Ich bin froh, James.« Er ließ seine starke Hand auf meiner Schulter und führte mich vom Hof, vorbei an den Männern, die noch immer so reglos wie Statuen dastanden, und wir verschwanden in der Nacht, als wären wir selbst Geister.
    Es sollten noch Jahre vergehen, bevor ich endlich das Geheimnis der Schläfer erfahren sollte, bevor meine Augen so golden wie die seinen werden würden, aber der Augenblick, in dem ich zusammen mit dem Fremden vom Advocate's Close ging, war der Augenblick, in dem ich den Tod hinter mir ließ und den ersten Schritt auf den Pfad zur Unsterblichkeit tat.
    Obwohl die folgenden Tage für mich wie ein Schemen sind – durch einen grauen Nebel gesehene Ereignisse –, erinnere ich mich an diese Nacht mit perfekter Klarheit: Wie er mich zu einer auf der High Street wartenden Kutsche führte und leise etwas zu einem Mann in der Livree eines Dieners sagte.
    »Leg ihn hinten hinein auf die Bank. Sei sanft mit ihm. Und wenn du auf Madstone Hall eintriffst, musst du sofort nach dem Arzt schicken.«
    »Was ist mit Euch, Sir?«
    In der Stimme des Dieners lag ein Akzent, der mir unbekannt war, ganz im Gegenteil zu der des Fremden, die überhaupt keinen aufzuweisen schien.
    »Ich muss meine Geschäfte hier in Edinburgh zu Ende bringen. Ich miete mir später ein Pferd und reite selbst zum Haus.«
    »Wir werden in der Bibliothek ein Feuer für Euch brennen lassen, Sir.«
    Ich konnte sein Lächeln nicht sehen, aber ich konnte es fühlen. »Danke, Pietro. Selbst nach all diesen Jahren habe ich mich nicht an die Kälte dieses Landes gewöhnt. Wenn man bedenkt, dass sie das Frühling nennen. Hier – nimm das, um ihn warm zu halten.«
    Er löste den dunklen Umhang und wickelte mich darin ein. Er war weich und verbreitete den süßen, männlichen Duft nach Tabak. Obwohl sein Haar weiß und das Gesicht vom Alter faltig war, hob mich der Diener mühelos auf, denn ich war so leicht wie ein Vogel. Die hohen Gebäude kippten, am Himmel wirbelten die Sterne und verschwanden, als sich die Kutschentür öffnete und man mich auf die Lederbank legte.
    »Mach schnell, Pietro. Das Fieber brennt in ihm. Ich fürchte, er steht kurz vor dem Tod.«
    Nein, wollte ich ausrufen. Mir geht es jetzt gut. Aber meine Lippen konnten die Worte nicht

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