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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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noch jünger gewesen war, brachten mir nun misstrauische oder eifersüchtige Blicke entgegen. Mehr als einmal sah ich Diakon Moody aus der Ferne, der mich über den Grassmarket hinweg ansah. Ich schenkte nichts davon Beachtung.
    Einer der Männer, die zu mir kamen, machte mich mit dem feurigen Geschmack von Whisky bekannt, und wie ich herausfinden sollte, schmeckte er mir, auch wenn ich mehr als einmal zu betrunken war, um meine Kunden zu bestehlen, und einmal beraubte einer von ihnen mich, während ich im Rausch dalag. Aber das ließ mich keineswegs vorsichtiger werden, und bald ging der größte Teil meines Verdienstes für den Kauf von dem Zeug drauf, denn ich zog es Essen vor. Ich wuchs noch immer, blieb aber gertenschlank und bleich, da ich mich in der Nacht herumtrieb und den Tag in meinem Zimmer verschlief.
    Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt nicht, aber als im Jahr unseres Herrn 1668 der Winter Edinburgh aus seiner eisigen Umklammerung entließ und die Wärme des Frühlings die Luft milder machte, war ich dem Tode nahe. Ein Husten hatte sich in mir festgesetzt, und morgens spie ich oft gelben, mit Blut durchsetzten Schleim aus. Selbst an kühlen Tagen überzog eine Schweißschicht meine blasse Haut, denn anscheinend hatte ich immer Fieber. Ich konnte nur wenig Nahrung bei mir behalten, und allein der Whisky schien das Pochen in meinem Schädel zu dämpfen, auch wenn er die Krämpfe in meinem Magen verschlimmerte.
    Um die Dinge noch zu verkomplizieren, entdeckte ich, dass mir das Geld ausging. Ich war nur selten klar genug, um die Männer, die mir von dem Platz am Tron folgten, auch zu berauben. Viel zu oft fiel ich in Ohnmacht, so dass sie ohne jede Bezahlung mit mir machen konnten, was sie wollten. Wenn ich aufwachte, waren sie weg und ich so wund, dass ich kaum laufen konnte. Trotzdem zog ich mich wieder an, kämmte mein Haar, trank einen Schluck Whisky und ging hinaus, um den Nächsten zu finden, dem ich mich anbieten konnte.
    Ich fing an, unvorsichtig zu werden, hielt mich nicht damit auf, auf die Schatten der Nacht zu warten, und sprach die Männer direkt an, statt darauf zu warten, dass sie hinter mir herschlichen. Fragte mich ein Constabler, warum ich dort herumlungerte, versuchte ich ihn zu bestechen, indem ich ihm meine kostenlosen Dienste anbot. Die Ersten willigten ein, aber dann schlug mich einer – ein großer Kerl mit roten Wangen und rotem Haar – so hart mit dem Handrücken, dass Blut aus meiner Lippe schoss und ich durch das Gassenlabyrinth rennen musste, um ihm zu entkommen.
    Nach diesem Vorfall kam ich aus einem mir unerfindlichen Grund auf die Idee, Diakon Moody zu besuchen. Nicht um Hilfe zu bekommen – dafür war es schon lange zu spät –, sondern vielleicht einfach nur, damit ich mich an etwas aus meinen jüngeren Tagen erinnern konnte. Es heißt, dass wenn sich der Tod nähert, man sich oft an die Ereignisse in seinem Leben erinnert.
    Als ich jedoch den Grassmarket erreichte, fehlte von Moody jede Spur. Ich fragte hier und dort und erfuhr bald, dass der Diakon ein paar Monate zuvor tot aufgefunden worden war.
    »Wie ist das passiert?«, fragte ich die Grogverkäuferin, die es mir erzählte.
    »Von eigener Hand«, sagte die Frau und wischte die Hände an dem dreckigen Kittel ab, was aber nicht viel nutzte. »Es heißt, dass seine beiden Handgelenke offen waren und dass er in jedes ein Kreuz geschnitten hat.«
    Sie drückte die schmalen Lippen zusammen und schlug selbst das Zeichen des Kreuzes. Ich drehte mich um und ging wortlos, spürte weder Verblüffung noch Staunen, fühlte mich bloß leer. Die Toten können nicht fühlen, hatte der Diakon gesagt. Ich legte eine Hand auf mein Herz, aber es schien aus Eisen geschmiedet zu sein. Nicht mal meine angeschwollene Lippe schmerzte. Ich ging zurück zu meinem Zimmer, und ich dachte nicht mehr an Diakon Moody.
    Ich hätte an diesem Tag sterben können, zusammengerollt wie ein Hund auf meinem Strohsack, aber etwas trieb mich aus meinem Dämmerzustand hoch. Aber was war es? Es hatte wie die Glocken vom Tron Kirk geklungen, nur klarer, weiter aus der Ferne. Reiner.
    Ich stemmte mich mit schwachen Armen hoch und schaute aus dem schmalen Schlitz in der Wand, der als Fenster diente. Draußen endete der Tag; Zwielicht senkte sich rußgleich zwischen die Mietsbaracken. Unten auf der Straße bewegte sich ein Schatten. Er verschwand um die Ecke, in Richtung High Street, aber ich hatte einen Blick auf eine schwarze Robe erhascht, deren Saum mit

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