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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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zukünftigen Ruheort ansahen. Müde blieb ich stehen und lehnte mich an eine Säule.
    »Entschuldigung, aber Ihr steht auf Sir Talbot.«
    Ich brauchte einen Augenblick lang, um sie auszumachen, denn sie war ziemlich unscheinbar. Ihr graues Kleid verschmolz mit der Steinwand, an der sie saß, und dank des Schattens einer praktischen, wenn auch alles andere als modischen Haube konnte ich ihr Gesicht kaum sehen. Auf ihrem Schoß lagen ein paar Blätter, und ihre Hände waren von Kohle verschmutzt. Ich hielt sie für eine der Kirchendienerinnen, aber warum sie dort saß und warum sie jemanden, der gesellschaftlich offensichtlich weit über ihr stand, so freimütig ansprach, gab mir Rätsel auf.
    »Ich sagte, Ihr steht auf Sir Talbot. Er mag das überhaupt nicht. Es wäre nett, wenn Ihr sofort zur Seite treten würdet.«
    Ich schaute nach unten. Unter meinen Stiefeln befand sich eine Marmorplatte, die ein Grab bedeckte. Der Boden der Kirche war mit Grabplatten übersät, so dass man sich nichts dabei dachte, über sie hinwegzugehen. Wie viele andere war auch dieser Grabstein von zahllosen darüberschreitenden Füßen abgenutzt, und ich konnte den eingravierten Namen nicht mehr lesen. Aber um die seltsame Bitte zu erfüllen, trat ich einen Schritt beiseite auf das nächste Grab.
    »Sehr gut.« Die junge Frau in Grau nickte. »Lady Ackroyd findet, Ihr seht anständig aus. Sie hat nichts dagegen, wenn Ihr eine Weile auf ihrem Stein stehen bleibt.«
    »Das freut mich zu hören.« Bei näherer Betrachtung war sie vermutlich gar keine Dienerin. Ihre Sprechweise war alles andere als ungeschliffen, und ihre Kleidung war zwar schlicht, aber dennoch von gutem Schnitt. Vielleicht war sie ja die Tochter eines erfolgreichen Kaufmanns. Heute erstaunt mich meine damalige Naivität. »Verratet mir, sprecht Ihr oft mit denen, die diese Welt verlassen haben?«
    »Ich spreche doch nicht mit ihnen«, sagte sie entsetzt. »Unser Herrgott würde eine so unheilige Vermengung der Reiche niemals zulassen. Es ist nur so, dass …«
    »Dass was?«, fragte ich, wider Erwarten neugierig.
    »Ich weiß einfach, dass sie das im Leben gewünscht hätten«, führte sie den Satz zu Ende. »Ich weiß, es ist eine schreckliche Einbildung. Es tut mir Leid. Ich hätte Euch das nicht sagen sollen. Guten Tag.«
    Sie senkte den Kopf, und ich wusste, ich hätte ins Hauptschiff zurückgehen sollen. Der Tag war kalt und grau geworden, und die Alte auf dem Anwesen der Faradays hatte behauptet, dass Alis die Sonne schätzte. Ich würde sie hier nicht finden. Trotzdem zögerte ich.
    »Ich bin in der Tat ziemlich müde«, sagte ich. »Glaubt Ihr, Lady Ackroyd hätte etwas dagegen, wenn ich ihren Stein verlasse und mich stattdessen neben Euch setze?«
    Die junge Frau legte den Kopf schief, dann nickte sie. »Sie hat nicht das Geringste dagegen.«
    Ich nahm neben ihr Platz. Und bereute es sofort, denn ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt sagen sollte. »Was ist das?«, platzte ich mit dem Ersten heraus, das mir in den Sinn kam, und zeigte auf die Blätter auf ihrem Schoß.
    Sie schob sie zusammen. Dort standen mit Kohlenstift geschriebene Namen und Daten. »Die habe ich abgepaust. Ich mache sie von den Grabmalen in der Kirche. Habt Ihr gewusst, dass Chaucer hier in Westminster begraben liegt?« Sie zog eine Seite aus dem Stapel. »Das hier ist von seinem Grabmal abgepaust.«
    Ihr Gesicht strahlte vor Aufregung, und ich erkannte, dass mir ihre Kleidung einen falschen Eindruck vermittelt hatte, denn sie war nicht im Mindesten so unscheinbar, wie ich geglaubt hatte. Ihre Züge waren zart geschnitten, ihre Haut so blass wie der Mond, und ihre blauen Augen hell und bar jeder Falschheit.
    »Charmant«, sagte ich und betrachtete das Blatt.
    »Ihr seid zu höflich«, sagte sie, faltete es zusammen und senkte den Kopf.
    Ich lachte. »Ich glaube nicht, dass man mich jemals dessen beschuldigt hat.«
    Sie schaute nicht auf, aber ich sah ein Lächeln über ihre roten Lippen huschen. »Mein Vater sagt, das sei ein alberner Zeitvertreib. Er sagt, wenn ich so viel Mühe dafür aufwenden würde, mich mit der Gesellschaft der Lebenden vertraut zu machen wie mit der der Toten, wäre ich mittlerweile verheiratet.«
    Ich fühlte, wie mein Lächeln verblich. »Und was meint Ihr dazu?«
    »Ich sage natürlich nichts. Er ist mein Vater. Aber in meinem Herzen fühle ich, dass es nur richtig ist, mir meine Gesellschaft hier zu suchen. Schließlich werde ich …« Sie biss sich auf die

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