Die letzte Schlacht
will Gott nur unseren Glauben prüfen?«
Jetzt kicherten die Zuschauer ebenso wie bei Koroyan.
»Da gibt es nichts zu lachen. Die Kanzlerin würde doch sicher kein Gemüse anrühren, das durch künstliche Bewässerung gewachsen ist. Niemals würde sie den Fuß in einen Raum setzen, der von einem Hypokaustum erwärmt wird. Ihr versteht, was ich damit sagen will. Wir reden hier über verschiedene Methoden, nicht über Glauben und Ketzerei. Die Welt dreht sich weiter. Je mehr wir lernen, desto mehr können wir tun.
Ich möchte Euch eine einfache Frage stellen. Ist es Ketzerei, Leben zu retten, ein Feld zu bewässern oder einen Raum zu wärmen, wie auch immer es getan wird? Natürlich nicht. Deshalb sind die Aufgestiegenen keine Ketzer. Andererseits können sie natürlich böse sein. Wir nehmen das hin, denn jeder Mensch, der in der Gnade des Allwissenden geboren wird, kann böse sein. Uns für die Tragödie namens Gorian Westfallen zu verurteilen, ist ebenso lächerlich, wie eine Mutter zu verbrennen, deren Sohn Diebstahl und Mord begangen hat.
Wir wissen nicht, warum die Kanzlerin und der Orden so entschlossen sind, das Gute zu vernichten, das aus dem Aufstieg hervorgeht. Wir haben uns dem Orden als getreue Diener angeboten und waren immer bereit, unsere Fähigkeiten zu nutzen, um den Willen Gottes zu stärken, aber niemals wollten wir ihn unterhöhlen.
Wir dienen dem Allwissenden. Wir sind, wie jeder andere hier in der Basilika, seine Kinder. Wir könnten uns niemals anmaßen, ihn ersetzen zu wollen, uns mit Gott auf eine Stufe zu stellen oder uns gar für überlegen zu halten. Schon der Gedanke daran ist entsetzlich und macht mich krank. Falls das jemals geschehen sollte, werde ich selbst die Feuer entfachen.«
Hesther verneigte sich vor den Richtern und den Zuschauern.
»Ich habe alles gesagt, was ich sagen musste. Nun sollt Ihr entscheiden.«
Sie setzte sich, und Arducius nahm sie in den Arm.
»Kurz, mitreißend und klar«, sagte er. Die Atmosphäre in der Basilika hatte sich verändert, die Gespräche waren ruhiger, auch wenn die Zuhörer lebhaft diskutierten und nicht sicher waren, wem ihre Sympathien galten. Arducius war überrascht. »Du hast die Menschen wirklich berührt.«
»Ja, aber zwei unserer Richter sind Koroyans Anhänger. Das Urteil wird nicht von Vernunft diktiert, ganz zu schweigen von dem, was noch folgen mag.«
Arducius’ Mut sank. Hesther hatte natürlich recht. Einen Moment lang hatte er tatsächlich gehofft, das Gericht könne sie für unschuldig erklären. Er drehte sich um und sprach mit den anderen Aufgestiegenen.
»Vergesst nicht, ihr dürft nicht reagieren, wie auch immer das Urteil lautet. Wir wissen genau, dass dies nicht das Ende ist. Ein Schuldspruch bedeutet nicht den Tod, genau wie Unschuld nicht bedeutet, dass die Menschen uns akzeptieren. Zeigt Demut und Haltung. Vergesst nicht, wer ihr seid.«
Auf der Bühne berieten sich unterdessen die Richter mit dem Rücken zur Basilika. Sie ließen sich Zeit, langsam wanderten die Schatten, die die Sonne warf. Aurelius war angespannt, erregt und offenbar zornig. Die Sprecher wirkten dagegen völlig gelassen. Auf der anderen Seite saß die Kanzlerin selbstzufrieden im Kreise ihrer Sprecher, die ihr zu ihrem Erfolg gratulierten.
Arducius’ Blick wanderte zum Publikum. Er nickte D’Allinnius anerkennend und dankbar zu, doch der Wissenschaftler reagierte kaum. Er fummelte an der Flasche herum, die er im Schoß hielt, und blickte immer wieder zur Kanzlerin. Gesteris beobachtete die Richter, ohne sich äußerlich etwas anmerken zu lassen. Marschallgeneral Kastenas war unruhig. Sie hatte die Arme verschränkt und prägte sich die Positionen verschiedener Leute im Zuschauerraum ein. Arducius fragte sich, ob sie mit Ärger rechnete oder Verbündete zählte.
Als Aurelius sich wieder an die Versammelten wandte, wurde es sofort totenstill. Arducius’ Herz raste in der Brust, sein Gesicht glühte. Er konnte sich kaum noch beherrschen, es gelang ihm nicht, seine Lebenslinien mit kühlen Energien zu beruhigen. Offensichtlich schaffte er es nicht einmal selbst, seiner Ermahnung Folge zu leisten. Da oben wollte nun jemand verkünden, ob sie leben oder sterben sollten. Als ob das nicht auch eine Anmaßung göttlicher Macht wäre. Fast hätte Arducius gelacht, doch dann bemerkte er Aurelius’ Gesichtsausdruck.
»Wir sind zu einem Urteil gelangt. Hinsichtlich der Anklage der Ketzerei und der Anmaßung göttlicher Kräfte werden die
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