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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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mehr als zweitausend Menschen, die hier gewohnt und gearbeitet hatten, mussten doch einige überlebt haben.
    Die Kellerräume glichen einem Schlachtfeld. Zwischen den Weinkrügen, Kisten und gestapelten Töpferwaren, zwischen Marmorblöcken und Kacheln lagen Dutzende von Toten. Die Ocenii brauchten nicht lange, um zu erkennen, wie der Kampf verlaufen war. Die Verteidiger hatten aus zwei Türen auf der anderen Seite Pfeile in den Durchgang geschossen, den Vorstoß der Angreifer jedoch nicht aufhalten können. Einige Pfeile lagen auf dem Boden, andere steckten in den Leichen, die jemand zerhackt hatte.
    Iliev konnte die Verzweiflung der Verteidiger nachempfinden, die irgendwann hatten einsehen müssen, dass die Angreifer nicht innehielten und nicht aufgaben. Wie sollte man einen Gegner bekämpfen, der sich nicht einmal mit einem Stoß durchs Herz niederstrecken ließ? Zwischen den Toten lagen auch wieder Ocetanas, hier waren es ungefähr zwanzig. Die Angreifer hatten die Türen zerhackt.
    »Passt auf, Ocenii«, flüsterte er. »Wenn ihr zuschlagt, müsst ihr schnell sein. Achillessehnen, Knie, Fußgelenke. Unsere Schwerter reichen vielleicht nicht aus. Wer mit Axt oder Langschwert umgehen kann, möge sich bedienen. Es sind reichlich Waffen da.«
    Zwei Ruderer folgten seiner Aufforderung. Einer hob mit beiden Händen eine schwere Holzfälleraxt, ein anderer schnappte sich die gekrümmte Klinge eines Tsardoniers. Iliev zog die Augenbrauen hoch und führte sie durch die Tür. Hier wurde es allmählich heller. Zwischen den Schächten des Hypokaustums führte eine Treppe in den Palast hinauf. Vor ihnen lagen nun Küchen und Lagerräume.
    Auch hier herrschte Totenstille. Er wies seine Männer an, die Laternen abzustellen. Hier kannte sich ohnehin jeder aus, denn dies war das Zentrum ihres Lebens. Er hielt inne.
    »Ich fühle genau wie ihr. Nutzt euren Zorn über diese Entweihung, denn genau das ist diese Stille. Fühlt kein Bedauern und schlagt ohne Gnade zu.«
    »Ja, Käpten«, flüsterten sie.
    »Kashilli, geht an der Ostmauer entlang und zieht die Flaggen auf. Ich übernehme den Westen.«
    »Aye, Käpten. Brauchen wir nicht die Listen und Dienstpläne?«
    Kälte breitete sich schlagartig in Iliev aus. »Gute Idee, ich bringe sie mit. Lasst uns gehen, Ocenii.«
    Am großen Speisesaal teilten sie sich auf. Dort war alles für ein Festessen gedeckt. Poliertes Besteck und Geschirr glänzten, auf jedem Tisch stand ein Kerzenleuchter. Die Stühle waren bunt geschmückt. Alles war bereit für das Lichterfest, das am Ende der Einkehr und des jährlichen Zyklus stattfand. Das Fest musste warten.
    Iliev führte seine Männer nach rechts zum Innenhof und dann die Treppe zu den Schreibstuben der Admiralität hinauf. Nirgends war ein Lebender oder Toter zu sehen. Auch hier herrschte tiefe Stille. Von den Gemälden blickten Würdenträger auf die Leere hinab. Die Teppiche dämpften die Schritte der Ocetanas, der vertraute kühle Marmor beruhigte sie ein wenig.
    Iliev winkte einen Soldaten nach vorn, der die Tür öffnen sollte. Vom Treppenabsatz blickte er zum Hof mit dem Brunnen hinunter. Reihen geschlossener Türen, nichts rührte sich, kein Laut war zu hören. Geräuschlos öffnete sich die Tür der Admiralität. Dahinter stießen sie auf Tische mit Stapeln von Dokumenten, Modelle von Schiffen, Wandbehänge mit Darstellungen von Ocetarus … und Tote. Männer und Frauen, die er kannte. In manchen Gesichtern stand noch der Schrecken des Todes. Ihr Blut hatte die Teppiche getränkt, und es stank. Schon hatten die Fliegen die Leichen gefunden.
    Seine Leute rannten hinein und rissen die Türen der Vorräume auf. Sein eigenes Büro war aufgeräumt und leer. Auf dem Tisch lagen einige Papiere. Er setzte sich und hob ein paar davon auf. Dienstpläne, Positionen von Schiffen, Besatzungsstärke. Zielhäfen und Nachschubwege.
    »Die habe ich nicht so offen liegen lassen«, flüsterte er.
    »In der Admiralität ist alles klar, Käpten.«
    Iliev hob den Kopf und nickte. »Geht jetzt zu den Türmen am Palast und hisst die Flaggen. Ihr wisst ja, wo sie gelagert sind. Zieht sie auf jedem Turm auf und lasst keinen aus. Und haltet die Augen offen.«
    »Und Ihr, Käpten?«
    »Ich komme auch gleich. Ich denke, hier ist niemand mehr.«
    Der Soldat nickte etwas verunsichert. »Das erzähle ich besser nicht weiter.«
    »Nein, lieber nicht. Geh jetzt, ich räume hier auf.«
    »Jawohl, Käpten.«
    Der Soldat trottete hinaus und rief nach seinen Gefährten.

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