Die letzte Schoepfung
Hass, die ohnmächtige Wut über den Verlust Nickys. Er war ein Trottel gewesen, Sydney zu verlassen. Diese Frau besaß die Macht, ihn mit der Zeit zu heilen und die Wüste in seinem Innern wieder zum Blühen zu bringen. Nur war Zeit jetzt das Einzige, das sie nicht hatten.
»Sydney…« Er löste sich von ihr. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber…«
»Ich weiß.« Ihre Stimme war fast unhörbar. »Das ist jetzt nicht der richtige Augenblick.«
»Da sind Danny und Callie und diese verdammte Insel, und wir…«
Wieder legte sie ihm zwei Finger auf die Lippen. »Ist schon gut. Ich verstehe das.«
Er barg sein Gesicht in ihrer Hand, küsste die Handfläche und fühlte, wie sie zitterte.
»Früher oder später müssen wir das klären, Ethan. Es gibt Dinge, die gesagt werden müssen, und Fragen, auf die ich eine Antwort brauche. Versprich mir nur, dass du diesmal nicht wieder gehst, bevor wir geredet haben.« Sie nahm die Hand von seinem Gesicht und setzte sich gerade hin. »Ich kann mit allem fertig werden, wenn ich nur die Wahrheit weiß.«
»Ich gebe dir mein Wort, Sydney.«
»Gut.« Sie holte tief Luft. »Erzähl mir von dir und Ramirez.«
Ethan berichtete ihr, wie sein Team Ramirez fassen sollte und dabei versagt hatte. Stockend erzählte er ihr von dem Kind, das bei der Razzia in Ramirez' Blockhaus zu Tode gekommen war. Sydney hörte zu und sah mit angespanntem Gesicht zu dem Zimmer hinüber, wo die Kinder schliefen.
»Also glaubt Ramirez, die Firma hätte dich geschickt, um ihn zum Schweigen zu bringen, damit er nichts mehr über Haven verraten kann?«, fragte sie, als er geendet hatte.
»Ja, aber diese Theorie hat eine Lücke.« Oder vielleicht doch nicht? »Ich war nicht geschickt worden, um Ramirez zu töten«, erklärte Ethan. »So etwas war nicht Aufgabe meines Teams. Solche schmutzigen Jobs wurden anderen übertragen. Mir wurde lediglich gesagt, Ramirez sei ein Abtrünniger und ich solle ihn zurückbringen. Mehr nicht.« Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Die Erinnerung an diese Höllennacht verfolgte ihn immer noch. »Und von dem Mädchen wussten wir nichts… Ich weiß bis heute nicht, was genau passiert ist.« Obwohl er es ahnte, da er in den Wüstennächten wieder und wieder darüber nachgegrübelt hatte. »Mein Team hatte das Blockhaus umstellt. Wir hatten erst einmal Position bezogen, bevor wir stürmten. Dann hieß es über Funk, Ramirez wolle sich absetzen.« Er erinnerte sich an die dunkle, mondlose Nacht. Den Geruch der feuchten Erde. Die Stimmen, darunter die eines Kindes. Dann das hämmernde Stakkato der Maschinenpistole. Und die Schreie eines kleinen Mädchens.
»Einer fing an zu schießen. Bevor ich sie aufhalten konnte, brach die Hölle los.« Ethan senkte den Kopf, als die Erinnerungen auf ihn einstürmten. So viel Blut. Wer hätte geglaubt, dass ein kleiner Körper so viel Blut verlieren könnte? »Damals hielt ich es noch für einen Unglücksfall. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
Er blickte Sydney in die Augen und fürchtete sich davor, was er darin lesen würde. Ekel? Verachtung? Stattdessen sah er Mitgefühl.
»Und Ramirez gibt dir die Schuld?«, fragte sie.
»Es war mein Team.«
»Aber, Ethan…«
»Vielleicht sollte er bei dem Einsatz sterben.« Und das Mädchen mit ihm. »Einer von meinem Team hat uns verraten.« Ethan hatte es nicht glauben wollen, konnte die Beweise aber nicht ignorieren. Sie waren Profis gewesen, kein Haufen blutiger Anfänger, die aus Panik, ohne provoziert worden zu sein, das Feuer eröffneten. »Einer von ihnen muss eine andere Order gehabt haben.« Eine Order, die Ethan abgelehnt hätte.
Anna? Sicher, sie hatten Probleme miteinander gehabt, doch Ethan konnte sich Anna kaum als Spionin der Firma vorstellen. Allerdings hatte sie überlebt und war an einem sicheren Ort untergebracht worden, während der Rest von Ethans Team mit dem Leben bezahlt hatte. Allein aus diesem Grund kam Anna als Kandidatin in Frage. Es gab allerdings noch eine andere Möglichkeit, die viel mehr Sinn machte.
»In dieser Nacht hatte ich einen zusätzlichen Mann im Team.« Ethan lehnte sich im Stuhl zurück. »Er war mir ein paar Monate zuvor für eine begrenzte Zeit zugeteilt worden, um Erfahrungen bei bestimmten Einsätzen zu sammeln. Aber er könnte meinem Team auch aus einem ganz anderen Grund zugeteilt worden sein, zum Beispiel, um unseren Auftrag zu sabotieren.« Leider gab es nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. »Ich muss nach Haven
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