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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mr. Cadwick, dass sie wirklich ausgezogen ist? Und nicht einfach nur ein langes Wochenende irgendwo verbringt?«
    »Ich war im Apartment. Ihre Schränke sind leer. Ihr Koffer ist weg. Nichts von ihren Sachen ist noch da.«
    »Können wir das Apartment auch ansehen?«, fragte Marc.
    »Selbstverständlich«, versicherte Cadwick und eilte in seine Küche, um den Schlüssel zu holen. Er war wieder ganz in seinem Element. Er war endlich die unangenehme Wahrheit losgeworden und hatte trotzdem seine Gäste glücklicherweise nicht sofort verscheucht.
    Vor ihnen stieg er die steile Treppe hinauf, schloss die Tür zum Apartment auf, knipste das Licht an.
    »Hier«, sagte er, »hier hat sie gewohnt.«
    Rosanna hatte selten einen Ort gesehen, der mehr dazu angetan gewesen wäre, einen Menschen in schwere Depressionen zu treiben. Die niedrige Decke. Die kleinen Fenster, durch deren Ritzen eisige Zugluft ins Innere drang. Die scheußlich gemusterten Tapeten. Der billige, dickflauschige Teppichboden, in dem es vermutlich von Ungeziefer wimmelte. Ein winziges Schlafzimmer mit einem alten Bett. Ein kaum größeres Wohnzimmer mit einer alten Couchgarnitur. Mr. Cadwick hatte all seine Möbelstücke, die kurz vor dem völligen Verfall standen, genutzt, um sein sogenanntes Apartment einzurichten. Jeder andere Mensch hätte das Zeug auf die Müllkippe gebracht.
    Cadwick öffnete den Kleiderschrank im Schlafzimmer. Er war leer.
    »Sehen Sie. Nichts. Ebenso in den Kommodenschubladen. Oben auf dem Schrank lag ihr Koffer. Der ist auch weg.«
    »War er rot?«, fragte Rosanna, sich an das Gespräch mit Marcs einstigem Nachbarn erinnernd. »Ein roter, ziemlich billig wirkender Plastikkoffer?«
    Cadwick schüttelte den Kopf. »Nein. Braun war er. Dunkelbraun. Aber auch ziemlich billig wirkend.«
    Das sagte natürlich nichts. Warum sollte sich Elaine in den vergangenen fünf Jahren nicht einen anderen Koffer zugelegt haben?
    Rosanna sah sich um. Hier hatte sie also gewohnt. Bis vor zwei Tagen. Sie stöhnte leise. Als hätte Elaine es geahnt! Kurz bevor sie hätte aufgestöbert werden können, war sie auf und davon gegangen.
    In das Schweigen aller hinein sagte Marc: »Ich muss sagen, ich teile Mr. Cadwicks Ansicht. Diese Wohnung wirkt völlig unbewohnt. Es spricht alles dafür, dass Elaine Dawson tatsächlich ausgezogen ist.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Rosanna. Sie war plötzlich sehr müde. Sehr ausgelaugt. Die Auseinandersetzung mit Dennis kam ihr wieder in den Sinn. Sie hatte ihren Mann ziemlich kurz abgefertigt, gepackt von ihrem Jagdfieber. Vielleicht hatte sie sich falsch verhalten. Nun stand sie hier, war gegen eine Wand gelaufen, wusste nicht weiter und hatte Dennis enttäuscht und wahrscheinlich auch verletzt.
    Alles umsonst, dachte sie.
    »Heute machen wir gar nichts mehr«, sagte Marc. »Wir suchen uns irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit, und morgen früh fahren wir entweder zurück nach London oder überlegen uns weitere Schritte hier. Das werden wir sehen. Aber im Augenblick bin ich zu kaputt, um noch einen wirklich hilfreichen Gedanken zu fassen.«
    »Sie können gern hier schlafen«, bot Cadwick an. »Das Apartment steht ja leider leer!«
    »Vielen Dank, aber wir wollen Ihre Hilfsbereitschaft nicht ausnutzen«, sagte Rosanna hastig, »wir werden …«
    »Sie werden hier nichts finden«, fiel ihr Cadwick ins Wort, »nicht in Langbury. Auch der Elephant vermietet keine Zimmer. Wollen Sie wirklich jetzt noch über die Dörfer irren und nach einem Zimmer suchen und sich dabei völlig verfahren?«
    Marc und Rosanna sahen einander an. Die Vorstellung war tatsächlich nicht verlockend.
    »Also, wenn es Ihnen ganz sicher nichts ausmacht …«, stimmte Rosanna resigniert zu. Ihr graute vor der Wohnung, aber zugleich war sie entsetzlich müde. Ihr kam zu Bewusstsein, dass sie seit dem Mittag nichts gegessen hatte, dass sie weder eine Zahnbürste noch ein Handtuch, noch Kleidung zum Wechseln dabeihatte – Umstände, die sie nicht gestört hatten, als sie noch von ihrem wilden Eifer vorangetrieben wurde. Jetzt sehnte sie sich nach nichts so sehr wie nach ihrem schönen Londoner Hotelzimmer, einer langen, heißen Dusche, einem flauschigen Bademantel, einem Glas Weißwein und einem riesigen Clubsandwich mit viel Salat und Mayonnaise.
    Aber von all dem war sie Lichtjahre entfernt.
    Cadwick kicherte anzüglich. »Wenn es Ihnen hier oben gemeinsam zu intim ist, kann natürlich auch einer von Ihnen unten bei mir schlafen. Mr. Reeve

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