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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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würde.
    »Passen Sie auf«, sagte er leise. »Wir laufen jetzt, so schnell wir können, zu unserem Auto. Es befindet sich ein Stück rechts von uns – leider ziemlich weit weg. Können Sie es ausmachen?«
    »Ja.«
    »Sie haben den Autoschlüssel?«
    Sie hatte ihn von der Anrichte genommen, während sie Cedric langsam durch das Wohnzimmer geführt hatte. »Ja«, sagte sie noch einmal.
    »Okay. Dann nichts wie hin, ohne nach rechts und links zu sehen. Es ist zu dunkel. Wir bemerken Wavers ohnehin erst, wenn er … schon ziemlich dicht an uns dran ist.«
    Er konnte spüren, dass sie wieder zu zittern begann.
    »He«, sagte er in einem bemüht aufmunternden Ton, der wenig überzeugend klang, »wir sind bewaffnet, vergessen Sie das nicht!«
    »Aber wenn er plötzlich von hinten kommt«, wisperte sie, »dann haben Sie vielleicht gar keine Gelegenheit mehr zu schießen.«
    Er könnte schon die ganze Zeit von hinten kommen, dachte Cedric. Das war ihm aufgegangen, während sie sich durch den Flur gemüht hatten. Und wenn er sich oben im Treppenhaus versteckt hält?, hatte er gedacht. Gesagt hatte er jedoch nichts. Wenn Pamela durchdrehte, machte das alles nur noch schlimmer.
    »Und wenn wir doch bis morgen …«, fuhr sie fort.
    Er rang um Atem. »Ich brauche einen Arzt, Pamela. Und zwar möglichst schnell. Ich bin, fürchte ich, erheblich verletzt.«
    Er konnte mehr fühlen als sehen, dass sie nickte. »Dann gehen wir jetzt«, bestimmte sie, plötzlich mit mehr Entschlossenheit in der Stimme, als er das während der vergangenen zwölf Stunden, die er sie nun kannte, an ihr erlebt hatte.
    Noch nie waren ihm zehn Meter so lang vorgekommen. Noch nie hatte sich eine Strecke so unendlich hingezogen. Vor Jahren war er den New York Marathon mitgelaufen. Seine Lungen hatten zu schmerzen begonnen, und irgendwann, auf dem letzten Stück, hatte er geglaubt, die Strecke werde nie ein Ende nehmen. Dennoch hatten ihn seine Lungen damals nicht halb so sehr gequält wie jetzt. Und jenes letzte Stück war nicht so weit, so schwer, so hoffnungslos erschienen wie die zehn Meter in dieser Nacht.
    Er gönnte sich jetzt keine Pause mehr, obwohl die Beine nachzugeben drohten. Er war nicht mehr weit von einer Ohnmacht entfernt, das konnte er spüren, und er hoffte nur verzweifelt, er werde in diesem Auto und weit weg sein, ehe ihm die Sinne schwanden.
    »Sie fahren«, zischte er Pamela zu, die ihn zog, stützte, schleifte.
    Unbehelligt erreichten sie den Wagen. Pamela öffnete ihn mit der Fernbedienung. Sie riss die Beifahrertür auf und ließ Cedric, der vor Schmerz viel zu laut aufstöhnte, auf den Sitz gleiten. Sie rannte um den Wagen herum. Als sie die Fahrertür öffnete, sagte er: »Kontrollieren Sie den Rücksitz. Schnell!«
    Er schaffte es selbst nicht, sich umzudrehen, hatte aber Angst, Wavers plötzlich im Rückspiegel auftauchen zu sehen. Das Auto schien verschlossen gewesen zu sein, aber wer konnte das genau sagen? Keuchend vor Angst, spähte Pamela nach hinten.
    »Leer«, sagte sie.
    »Dann nichts wie los!«
    Pamelas Finger zitterten so heftig, dass ihr das Anlassen des Motors erst beim dritten Versuch gelang.
    »Ich kann nur Autos mit Automatik fahren«, flüsterte sie.
    »Verdammt. Egal. Sie kriegen das schon hin!« »Ja, aber …«
    »Fahren Sie. Irgendwie. Wir müssen hier weg. Ich muss in ein Krankenhaus.« Ihm wurde übel. Die Atemnot wurde unerträglich. Er hoffte, dass Pamela die Nerven behielt und ihn zu einer Polizeiwache oder direkt in ein Krankenhaus chauffierte, falls er bewusstlos wurde. Dass sie nicht irgendwo stehen blieb und zu heulen anfing. Er wusste nicht, wo genau er verletzt war, aber er hätte gewettet, dass er in ein paar Stunden tot sein würde, käme er nicht umgehend zu einem Arzt.
    Die Pistole entglitt seinen Händen. Er konnte nichts dagegen tun. Er hatte kein Gefühl mehr in den Fingern und nicht einen Funken Kraft. Vor seinen Augen begann es zu flimmern.
    »Geben Sie Gas!«, stieß er hervor.
    Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung. Sie hoppelten den Weg entlang. Pamela saß nach vorn geneigt, die Nase dicht an der Windschutzscheibe. Sie hatte kein Licht eingeschaltet. Vielleicht besser so. Wenn sie in belebtere Gegenden kamen, musste er ihr sagen, wo sich der betreffende Hebel befand. Hoffentlich wäre er dazu noch in der Lage. Seine Zunge schien anzuschwellen und pelzig zu werden.
    Ich bin gleich weg, dachte er. Und doch keimte Hoffnung.
    Wir sind im Auto. Wir fahren. Wir verschwinden von hier. Der

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