Die Letzte Spur
aus.
»Das war Marina. Die Exfreundin meines Mannes. Robs Mutter. Es gibt Probleme mit Rob, er muss völlig durcheinander sein und will unbedingt zu mir. Nicht zu seinem Vater, nicht zu ihr. Nur zu mir.«
»Dann solltest du vielleicht …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe gesagt, dass ich heute Nachmittag zu ihr komme. Bis dahin muss er warten.«
Sie liefen zum Clubgelände hinunter. Marc besaß noch seine alten Schlüssel, hatte aber vorsorglich gewarnt, dass in der Zwischenzeit natürlich die Schlösser hätten ausgewechselt werden können. Tatsächlich aber hatten sie Glück: Das Tor, das die Anlage unzugänglich machte, öffnete sich. Sie durchquerten das Gebäude, das Rosanna nun schon kannte, und betraten den Anlegesteg. Er lag im hellen Sonnenschein. Die sauberen kleinen Boote glänzten. Auf einigen thronten Möwen, die, vom Meer kommend, dem Fluss bis tief ins Landesinnere gefolgt waren.
»Sogar das Schiff ist noch an seinem alten Platz«, stellte Marc fest, als sie das Ende des Stegs erreicht hatten und vor der Heaven's Gate standen. »Hier hat sich wirklich überhaupt nichts verändert.«
»Können wir mal raufgehen?«, fragte Rosanna.
Er zögerte. »Es gehört mir nicht. Offenbar ja nicht einmal mehr Jacqueline.«
»Aber hier ist kein Mensch. Und was sollte der neue Eigentümer auch dagegen haben? Du könntest sagen, du wolltest dir aus sentimentalen Gründen das Schiff noch einmal ansehen.«
»Aber wir müssen die ganze Plane abnehmen.«
»Es kommt doch keiner«, drängte sie.
Er gab nach. Sie beobachtete, wie er mit geschickten, schnellen Bewegungen die Abdeckplane losknotete und hinten in der offenen Kajüte verstaute. Das Schiff war ihm vertraut, das war deutlich zu sehen. Aber sie erkannte auch, dass ihm nicht wohl dabei war. Er hätte die ganze Aktion – in der er keinen Sinn sah – am liebsten abgebrochen. Sie selbst hätte ihm nicht erklären können, weshalb sie auf das Schiff wollte. Sie folgte einem Gefühl. Dem Gefühl, dass sie hier, in Wiltonfield und auf diesem Schiff, der Antwort auf die Frage nach Elaines Verbleib würde näherkommen können. Wobei sie keine Ahnung hatte, ob das, was sie als Gefühl bezeichnete, nicht in Wahrheit nur eine Wunschvorstellung war, die sie am Ende um nicht einen Schritt weiterbrachte.
Sie folgte Marc auf das Schiff. Jetzt, da die Plane entfernt war, schlug modriger Geruch von den Planken hinauf.
»Glaubst du, hier war jemand den Winter über?«, fragte sie.
Er zuckte die Schultern. »Kann man nicht sagen. Es scheint mir eher nicht so. Aber bei Kälte und Nebel zu segeln, ist auch nicht wirklich ansprechend.«
»Können wir ein kleines Stück auf den Fluss hinaus?«
»Was denn noch alles?« Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Warum, Rosanna? Was glaubst du zu entdecken? Was glaubst du herauszufinden?«
Ebendas konnte sie nicht erklären. »Ich möchte etwas fühlen. Falls Jacqueline an jenem Morgen hinausgefahren ist, dann möchte ich wissen, wie sich das angefühlt hat.«
»Was soll das bringen?«
»Ich weil? es nicht. Vielleicht gar nichts. Ich habe das Gefühl, dass das Schiff wichtig ist. Mehr kann ich nicht erklären. «
»Auf dem Wasser ist es sehr kalt. Viel kälter als hier an Land. Und du bist schon krank. Ich fürchte, alles, was bei diesem Unternehmen herauskommt, wird eine Lungenentzündung bei dir sein. Mehr nicht.«
Sie betrachtete die braune Holzverschalung, aus deren rückwärtiger Wand das Ruder ragte. Auf dem Boden in der Plicht befand sich eine Klappe, die mit einem Vorhängeschloss versehen war.
»Da ist der Motor drinnen, oder?«
»Ja.«
»Hast du den Schlüssel für das Vorhängeschloss?«
»Ich habe den Schlüssel für das Schloss, das wir damals benutzt haben. Der neue Eigentümer hat es sicher längst ausgetauscht.«
»Probier es. Wenn es nicht klappt, können wir nichts machen. Ich verspreche dir, wir verlassen dann das Boot, fahren nach London zurück, und ich fange nie wieder von dieser ganzen Sache an.«
Er fluchte leise, zog seinen Schlüsselbund erneut aus seiner Jackentasche. Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel, Büroschlüssel. Es gab noch einen kleinen, viereckigen Schlüssel. Er steckte ihn in das Schloss. Es sprang auf.
»Bingo!«, rief Rosanna.
Er betrachtete das offene Schloss mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Ärger und Resignation schwankte. »Und du möchtest jetzt den Fluss entlangtuckern? Mit einem Schiff, das uns nicht gehört? Weißt du, dass wir in Teufels
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