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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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eingeschenkt und saß wieder auf ihrem Barhocker. »Wieso, vielleicht kommt sie nach mir!«, meinte sie spitz. »Was das Einfangen von Versagern angeht!«
    Gordon knallte die Zeitung neben sich auf den Boden. Aus schmalen Augen sah er seine Frau an. »Was willst'n damit sagen?«
    Sally war noch nicht betrunken, sie ließ sich einschüchtern. »Nichts«, meinte sie.
    Angela war verzweifelt. Ihre Eltern drohten schon wieder in Alkohol und Streit abzugleiten. Bald würden sie nicht mehr ansprechbar sein.
    »Und wenn Linda etwas passiert ist?«, fragte sie. »Wenn sie deshalb nicht nach Hause kommt?«
    »Was soll ihr denn passiert sein?«, fragte Gordon zurück. »Die liegt mit irgendeinem Kerl im Bett und lässt es sich gutgehen, und irgendwann steht sie hier wieder vor der Tür. Wirst sehen!«
    »Aber Angela hat recht«, sagte Sally, »sie ist erst sechzehn und seit drei Nächten nicht nach Hause gekommen.«
    »Ja, und was soll ich da machen?«, fragte Gordon. »Soll ich jetzt auf die Suche gehen, oder was?«
    »Ihr müsst die Polizei verständigen«, sagte Angela. »Linda ist minderjährig, und sie ist verschwunden. Sie schwimmt seit einiger Zeit im Geld, und wir wissen nicht, warum. Ich meine, vielleicht ist das alles ja ganz harmlos, aber…« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Sie konnte förmlich zusehen, wie die Gesichter ihrer Eltern langsam versteinerten. Mit der Polizei mochte man in diesem Teil Islingtons, speziell in diesem Wohnblock, so wenig wie möglich zu tun haben. Nicht, dass die Beamten nicht ziemlich oft gerade hier herumschwirrten. In den meisten Familien kam es mit schönster Regelmäßigkeit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, und häufig rief dann irgendein Nachbar anonym die Streife herbei, weil die Situation bedrohlich eskalierte. Auch die Jugendlichen, die hier lebten, waren immer wieder in Delikte verwickelt. Die Arbeitslosigkeit war hoch, der Alkoholkonsum noch höher. In nahezu jeder Familie gab es wenigstens ein Mitglied, das in kriminellen Aktivitäten steckte. Schon deshalb wäre es niemandem eingefallen, die Polizei ohne einen absolut zwingenden Grund aufzusuchen oder herbeizurufen. Eigentlich waren die Bullen die Gegner. Man brauchte sie bloß hin und wieder.
    »Nur weil die 'n Liebhaber hat«, meinte Gordon.
    »Vielleicht bringen wir sie damit in Schwierigkeiten«, stimmte Sally zu. Sie hatte ihr Glas fast leer getrunken. Zeit für ein neues.
    Angela wusste, dass für diesen Tag von ihren Eltern keine Hilfe zu erwarten war. Und vielleicht hatten sie recht. Linda hatte einen neuen Freund, einen, der sie offenbar recht großzügig beschenkte und der sie nach dem Streit mit ihrem Vater bei sich aufgenommen hatte. Am Ende wäre sie richtig wütend, wenn man ihr nun die Polizei auf den Hals hetzte. Und doch … Angela hatte ein dummes Gefühl. Sie konnte es sich selbst nicht recht erklären, denn sie kannte ihre Schwester gut genug, um zu wissen, dass es ihr zuzutrauen war, ihre Familie ein wenig in Angst zu versetzen und ein paar Tage und Nächte einfach fortzubleiben. Aber eine innere Stimme sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine logische Begründung. Es war ein Bauchgefühl, dem sie natürlich, wie die meisten Menschen in derartigen Situationen, heftig misstraute.
    Trotzdem würde sie am Nachmittag zur Polizei gehen. Ihre Arbeit in einer Gärtnerei endete um halb fünf. Sie würde Lindas Verschwinden melden.
    Und sich in diesem Fall aus tiefster Seele freuen, wenn sich herausstellte, dass sie mit ihrer Sorge völlig danebengelegen hatte.
     
    2
     
    »Ja«, sagte Nick Simon, »mit Marc Reeve musst du natürlich unbedingt sprechen, Rosanna. Ob du ihn allerdings hinhängen solltest, steht auf einem anderen Blatt. Meiner Ansicht nach hatte der Mann nichts mit Elaines Verschwinden zu tun und ist dennoch schlimm bestraft.«
    Sie saßen in einem indischen Restaurant in London –Rosannas Lieblingsinder von früher, und es hatte sie gefreut und gerührt zu erleben, dass Nick sich daran erinnerte –, und gerade hatte sie ihm von ihrer Unterredung mit Geoffrey Dawson berichtet, auch von seiner wütenden Attacke gegen Marc Reeve. Sie konnte es Nick förmlich ansehen, wie sehr es ihn freute, sie für diese Geschichte gewonnen zu haben: Was Elaine Dawson anging, saß sie einfach dichter an der Quelle als irgendjemand sonst.
    Aber auch Rosanna freute sich. Sie freute sich, in London zu sein, in einem Restaurant zu sitzen, in dem etliche Journalisten zu Mittag aßen. Sie hatte schon

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