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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nicht nötig hat, Frauen in seine Wohnung zu locken. Ich würde sagen, er dürfte eher Schwierigkeiten gehabt haben, Frauen daran zu hindern, sich ihm an den Hals zu werfen. Ich vermute, Geoffrey Dawson braucht einen Schuldigen, und da bietet sich Reeve an. Das haben ja manche so gesehen.«
    »Wer noch?«
    »Die Presse damals vor allem. Aus anderen Beweggründen als Dawson, versteht sich. Jener Nachbar, der Reeve bei der Polizei gemeldet hatte, ist mit seinem Wissen auch in die Medien gegangen. Der Mann war wohl einfach ein Wichtigtuer. Oder er hatte irgendetwas gegen Reeve, keine Ahnung. Jedenfalls wäre die ganze Sache weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Bühne gegangen, wenn dieser Mensch nicht so ein Theater darum veranstaltet hätte. Wobei er übrigens heftigst von dem rachedurstigen Geoffrey Dawson unterstützt wurde. Und du weißt, wie die Zeitungen sind – ich will mich und Cover da gar nicht ausnehmen: Man braucht Storys. Ständig. Elaines Verschwinden allein wäre keine große Sache gewesen. Das ist bei Kindern anders, aber eine erwachsene Frau… Gott, die kann auch mit einem Liebhaber durchgebrannt sein oder so etwas! Also hat man Reeve ausgeschlachtet. Der Mann, der sie in Heathrow angesprochen und mit nach Hause genommen hat. Kurz darauf ist sie wie vom Erdboden verschluckt. Daraus ließ sich etwas machen, und das hat man dann auch ziemlich gründlich getan. Reeve wurde ganz schön durch den Dreck gezogen, und die Tatsache, dass ihm am Ende nichts nachzuweisen war, hat ihn dann auch nicht mehr wirklich gerettet.«
    Sie runzelte die Stirn. »Du sagtest vorher, er wurde schlimm bestraft?«
    »Die Sache blieb einfach an ihm kleben. Er galt nicht als ein Mann, dessen Unschuld erwiesen war, sondern als ein Mann, dessen Schuld nicht beweisbar war – das ist ein sehr relevanter Unterschied. Die Geschichte mit der renommierten Kanzlei war danach erst mal vom Tisch. Mandanten blieben fern. Für die Kanzlei, in der er bis dahin assoziiert gewesen war, war er nicht mehr tragbar. Ich glaube, er ging freiwillig. Machte sich selbstständig und schlägt sich heute wohl wieder recht gut durch. Ich meine, nicht dass die Leute noch groß darüber nachdenken oder mit dem Finger auf ihn zeigen. Aber es hat einfach einen massiven Knick in seiner Karriere gegeben, und den hat er nie ganz ausbügeln können. Geht man davon aus, dass er wirklich unschuldig ist, so ist das natürlich eine Tragödie.« »Ist er verheiratet?«
    »Geschieden. Ob er wieder geheiratet hat, weiß ich nicht. Als das mit Elaine passierte, lebte er gerade in Scheidung. Seine Frau war mit dem gemeinsamen Sohn ausgezogen. Auch das hat man in der Presse gegen ihn benutzt: Warum läuft die Frau ihm weg? Was sagt das über ihn aus?« Nick schüttelte den Kopf. »Blödsinn, natürlich. Kein Mensch weiß, warum es zwischen den beiden schiefging. Passiert doch ständig. Wenn eine gescheiterte Ehe einen Menschen zum potenziellen Verbrecher macht, dann … gnade mir Gott!« Er grinste. Rosanna erwiderte sein Grinsen. Sie wusste, dass Nick bereits dreimal geschieden war.
    »Hast du Reeves Adresse?«, fragte sie.
    »Ich habe die Telefonnummer seines Büros. Er lebt übrigens nicht mehr unter derselben Adresse wie damals. Soweit ich weiß, ist er nach der Scheidung in eine kleine Wohnung umgezogen. Was du brauchst, um ihn zu kontaktieren, findest du in der Mappe mit den Zeitungsartikeln. Rosanna«, er sah sie ernst an, »du weißt, mir war sehr an dir gelegen für diese Serie, gerade wegen deiner persönlichen Bekanntschaft mit Elaine Dawson. Aber denk daran, der Fall stellt nur die erste Geschichte dar. Häng dich nicht zu sehr da hinein. Du hast noch mehr Fälle zu bearbeiten. Es geht auch nicht darum, das Rätsel zu lösen. Es geht nur darum, die Geschehnisse von damals noch einmal darzustellen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen auf andere Menschen sich daraus ergaben. Im Fall Dawson sind die beiden interessantesten Figuren zweifellos der Bruder, der im Pflegeheim gelandet ist, und der Anwalt, dessen Karriere in die Binsen ging. Mehr brauchen wir nicht zu wissen.«
    Sie nickte. »Ich nehme den Auftrag an, Nick, ganz klar«, sagte sie, »aber auf einmal denke ich, dass es emotional für mich doch schwerer wird, als gedacht. Als ich wieder in Kingston St. Mary war, als ich Geoffrey in Taunton traf – da stiegen so viele Bilder in mir auf. Von früher. Wir waren immer ein ganzes Rudel Kinder, das zusammen herumzog. Mein Bruder Cedric und

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