Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
ihr freundlich zu, während die Kellnerinweitere Stühle an den Tisch schob. Assaf und Yaron bestellten erst einmal zwei Goldstar-Bier. Yaron orderte außerdem die Shrimps, während sich Assaf für eine Suppe und das Tartar entschied.
Im Laufe des Abends landete Assaf schließlich auf dem Stuhl neben Anat. Drucksten sie anfangs noch etwas herum, verstanden sie sich mit jedem Glas besser. Assaf erzählte Anekdoten aus seiner Militärzeit. Und die sonst so beherrschte Anat bog sich vor Lachen. Er mochte es, wie ihre blauen Augen dann strahlten und sie gleichzeitig scharfsinnige, kluge und nicht weniger komische Bemerkungen machte. Anat war eine besondere Frau – in einem Moment streng, fast hart und im nächsten weich und verletzlich. Assaf beobachtete, wie sie zur Musik mit dem Kopf wippte. Aus dem Gefühl der neu gewonnenen Vertrautheit heraus zogen die beiden schließlich noch alleine in das nahe gelegene »Taxi« weiter.
An den unverputzten Wänden der düsteren Bar hingen ausgestopfte Köpfe von Wildtieren, die mit ihren braunen toten Kulleraugen auf das hippe Kneipenpublikum starrten. Der junge, langhaarige Barkeeper versorgte sie mit Schnäpsen, und Assaf wunderte sich, wie ausgelassen die Stimmung zwischen ihm und seiner Konkurrentin plötzlich war. Später konnte er sich nicht mehr erinnern, wie es genau dazu kam, aber irgendwann zwischen Wodka Nummer eins und zehn hatten sich ihre Lippen berührt. Anfangs noch etwas zögerlich, hatte Assaf Anat bald ganz in seine Arme gezogen, und die beiden hatten sich leidenschaftlich geküsst.
Bevor Assaf begriff, was gerade passierte, geschweige denn es genießen konnte, schreckte Anat auf und verließmit den Worten »Das geht nicht« fluchtartig die Bar. Der Kommissar, von ihrem schnellen Abgang ernüchtert, bestellte sich noch einen Absacker und fuhr schließlich verwirrt mit dem Taxi nach Hause. Kurz bevor er einschlief, dachte er noch an Anat und ihre eisblauen Augen.
KAPITEL 7
Als Assaf am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich, als wäre er neunzig Jahre alt. Seine Nacht war unruhig gewesen, begleitet von merkwürdigen Traumsequenzen, in denen er jedes Mal versuchte, Joy zu berühren. Bevor er seine Hand auf ihre legen konnte, zerfiel sie zu goldglänzendem Glitzerstaub. Assaf schüttelte sich. Um wach zu werden, begab er sich mühsam wie jeden Morgen auf den Fußboden und absolvierte seine Abfolge von Yoga-Positionen. Gerade als er sich mitten in der Katze-Hund-Schwan-Sequenz befand, klingelte das Telefon.
»Assaf, wann kommst du? Bist du schon zum Mittag da?«, fragte ihn seine Mutter hektisch, während im Hintergrund Kindergeschrei zu hören war.
»Ima, ich bin zum Abendessen da. Vorher schaffe ich es nicht.«
»Okay. Bis später«, beendete sie das Gespräch rasch.
Freitage waren stressig für seine Mutter. Während für die meisten Israelis das Wochenende begann, kochte sie den ganzen Tag für das Abendessen, mit dem der Schabbat eingeläutet wurde und an dem seine drei Geschwister und deren Kinder, immerhin schon sechs an der Zahl, teilnahmen. Obwohl es für sie so viel Arbeit bedeutete, redete sie regelmäßig auf Assaf ein, öfter zum Schabbat nach Hause zu kommen. Sie liebte es, alle um sich herum zu haben,auch wenn das für sie bedeutete, dass sie eigentlich kaum selbst zum Essen kam, da sie durchgehend damit beschäftigt war, vom Esstisch zur Küche zu laufen und sicherzustellen, dass auch wirklich genügend von allem auf dem Tisch stand.
Assaf kontrollierte auf seinem Handy, ob eine Nachricht von Anat eingetroffen war, aber das Display war leer. Sie hatten noch lange vor ihrem Kuss Nummern ausgetauscht.
Er frühstückte ausgiebig, telefonierte mit Freunden, für die er in der Woche kaum Zeit hatte, und schaute Videos auf Youtube an, in denen Panzer der israelischen Armee zu heroischer Musik präsentiert wurden. Militärische Ausrüstung aller Art faszinierte ihn – schon als kleiner Junge hatte er Armee-Hubschrauber und Panzer gemalt und die Daten sämtlicher Modelle, sei es von den Amerikanern, Israelis, Russen oder Deutschen, auswendig gelernt.
Danach drehte der Kommissar ein paar Joints, die er mit zu seinen Eltern nehmen wollte. Sein jüngerer Bruder und er rauchten abends heimlich im Dachzimmer. Dabei hingen sie sich mit den Oberkörpern aus dem Fenster, schauten auf das Meer, das man vom Haus seiner Eltern sehen konnte, und hörten Depeche Mode oder Pink Floyd. Es war gut, die Joints bereits zu Hause vorzubereiten, damit sie
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