Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
ins Land gebracht und kamen überwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie lebten oft unter furchtbaren Bedingungen und wurden nicht selten zu der Arbeit gezwungen. Es gab allerdings mehr und mehr Bestrebungen, Prostituierte im Land selbst zu rekrutieren – die Armee und Grenzpolizei hatten die Menschenschmuggler in den letzten Jahren ganz gut in den Griff bekommen, eine Arbeit, an der auch Assaf beteiligt gewesen war. Insgesamt gab es mittlerweile einen Großteil an Frauen, die privat arbeiteten, die meisten hatten Anzeigen in den kostenlosen Sexmagazinen, die an Tel Aviver Kiosken auslagen, und viele verteilten Visitenkarten, auf denen sie mit nackten Körpern warben.
Assaf las in einem Artikel, dass in Israel monatlich mehr als eine Million Mal Bordelle und Prostituierte besucht wurden und dass viele Kunden, Touristen und Einheimische, jüdische Mädchen bevorzugten. Marina war Jüdin, vielleicht war ihr Marktwert für Dudu auch deswegen so hoch gewesen. Assaf dachte an Joy und fragte sich, wie sie ins Land gekommen war. Es gab drei Möglichkeiten: Entweder war sie offiziell als Gastarbeiterin eingeladen worden, um sich – wie die meisten Asiaten – in der Altenpflege zu verdingen, oder sie war als Touristin eingereist und dannillegal geblieben, oder sie war über die ägyptische Grenze eingeschmuggelt worden.
Assaf überlegte, ob es möglich war, dass Joy neben ihrer Arbeit als »Masseuse« tagsüber als Altenpflegerin arbeitete. Doch irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass Joy alte Leute im Rollstuhl umherschob oder mit ihnen an der Hand durch die Stadt schlurfte.
Joy – wie hieß sie wohl richtig? Und warum ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf? Er hatte sie immerhin nur ein einziges Mal gesehen. Aber ihre Schönheit und Anmut, ihre Unnahbarkeit, ja ihre Unerreichbarkeit – er konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Sie war wie Sulamith. Eine Frau, die Männer in ihren Bann zog. Die Schönste von allen. Assaf tippte Sulamith in die Suchmaschine und las aus dem »Lied der Lieder« König Salomons:
»Dein Haupt gleicht oben dem Karmel;
wie Purpur sind deine Haare; ein König liegt in den
Ringeln gefangen.
Wie schön bist du und wie reizend, du Liebe voller
Wonnen!
Wie eine Palme ist dein Wuchs; deine Brüste sind wie
Trauben.
Ich sage: Ersteigen will ich die Palme; ich greife nach
den Rispen.
Trauben am Weinstock seien mir deine Brüste,
Apfelduft sei der Duft deines Atems,
dein Mund köstlicher Wein, der glatt in mich eingeht,
der Lippen und Zähne mir netzt.«
Am nächsten Tag, nach einem entspannten und leicht bekifften Abend, traf Assaf sich mit ein paar alten Freundenam Strand, bevor er sich auf den Weg zurück nach Tel Aviv machte. Seitdem er in die israelische Metropole gezogen war, freute er sich jedes Mal, wieder in die Stadt zurückzukommen. Tel Aviv war anders als alle anderen Städte in Israel: offen, liberal und bunt.
Statt direkt nach Hause zu fahren, wollte Assaf beim Drogendezernat vorbeischauen. Er war sich nicht sicher, wen er dort an einem Samstag antreffen würde, aber einen Versuch war es wert. Assaf betrat das Gebäude, zeigte dem Kollegen am Empfang seinen Dienstausweis und erklärte, dass er gerne mit einem der Kommissare sprechen würde.
Sein Gegenüber, vom Dienstgrad Polizeimeister, sah ihn verständnislos an. Dann schimpfte er wie ein Rohrspatz über Personalmangel und dass die halbe Besetzung krank sei.
Assaf beruhigte den Kollegen, der nicht besonders intelligent auf ihn wirkte, und bat ihn freundlich, aber bestimmt, jemanden zu rufen. Schließlich brachte der ihm keinen leitenden Kommissar, aber immerhin einen Detektiv, wie die Ermittler bei der israelischen Polizei genannt wurden.
Der junge, arabische Detektiv Fadi Mansour begrüßte Assaf freundlich und führte ihn in ein kleines Büro, das mit Urlaubspostern und einer Art Schrein für einen wohl erst kürzlich verstorbenen Polizeikollegen namens Ilan Dassah dekoriert war. Assaf schilderte kurz, worum es ging.
»Dudu Batito also«, meinte der Detektiv. »Der ist für uns natürlich kein Unbekannter. Ist vor einiger Zeit groß ins Drogengeschäft eingestiegen. Ungewöhnlich, weil die Branche normalerweise von anderen dominiert wird.«
»Ja, aber er betreibt auch ein Bordell, und die sind ja normalerweisein rein russischer Hand«, gab Assaf zu bedenken.
»Wir ermitteln bereits, uns interessieren natürlich vor allem seine Drogengeschäfte, aber bisher haben wir noch nicht, was wir
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