Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
begeben, der von anderen dominiert wird. Und deine Wettbewerber sind über die neue Konkurrenz nicht besonders erfreut. Marina war dein bestes Pferd im Stahl, ihr Tod sollte dir einen Denkzettel verpassen.«
Dudu blickte den Kommissar verblüfft an. »Ma? Das glaubst du doch nicht im Ernst«, sagte er fassungslos und ergänzte dann, wie um sich selbst zu beruhigen: »Ich habe keinen Stress. Mit niemandem.« Der Zuhälter spielte nervös mit seinem Feuerzeug.
Assaf musterte ihn scharf. »Dudu, wenn an meiner Theorie was dran ist, dann sind auch deine anderen Mädchen in Gefahr.«
Das Feuerzeug klickte auf und zu.
»Was hat Marina dir bei ihrem letzten Anruf gesagt? Hat sie erzählt, wen sie treffen wollte?«
Klick klack.
»Du willst also nicht. Gut. Dann sehen wir uns in den nächsten Tagen wieder.« Assaf sprang von seinem Stuhl und öffnete die Tür zum Flur.
Dudu saß für einen Moment regungslos da und folgte dem Kommissar erst, als der bereits auf dem Weg zum Ausgang war.
Kurz bevor Assaf die Lobby erreicht hatte, sah er sie doch noch. Joy stand am anderen Ende des Flures, hinter ihr tauchte ein Mann mittleren Alters auf. Assaf erkannte nicht viel von ihm, außer den fetten Bauch, der über eine bunte Badehose hing. Anscheinend waren die beiden auf dem Weg zu den Whirlpools. Joy trug wieder ein enges Minikleid, diesmal in Dunkelgrün. Ihre Blicke trafen sich und blieben wie aus Versehen aneinander hängen. Sie schaute ihn durchdringend an – ein paar Sekunden zu lang, als dass es nichts zu bedeuten gehabt hätte.
Dann drängte sich Dudu zwischen ihre Blicke, und die Magie des Augenblicks war schlagartig verflogen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ Assaf das Penthouse.
KAPITEL 8
Am Sonntagmorgen machte sich Assaf – wie immer am ersten Tag der Arbeitswoche – verspätet auf den Weg ins Büro. An der Strandpromenade hatten sich um halb zehn bereits ältere Männer um ihre Holzbretter versammelt, auf denen sie Schesch Besch oder Mühle spielten, während sie sich anbrüllten, was wohl ihre Art des Gesprächs war. Sie hatten tiefbraune Gesichter – die Haut war wie gegerbtes Leder – und trugen Sachen, die ihnen ihre Frauen morgens auf das Bett gelegt hatten. Im Winter war der Strand neben ihnen für alle da, im Sommer verwandelte er sich in ein eigenes Land mit ganz besonderer Bevölkerung. Da gab es die Obdachlosen, die unter den schattenspendenden Holzpavillons schliefen und dann morgens immer noch oder schon wieder angetrunken, mit zerzausten Haaren unter den Strandduschen kauerten, nicht wissend, was sie mit dem Tag anfangen sollten, der sie hier besonders strahlend begrüßte. Da waren die Ballsport-Verrückten, die den israelischen Nationalsport Matkot, eine Art Strandtennis, mit verbissenen Gesichtern trainierten und sich ehrgeizig scharfe Gummibälle um die Ohren droschen. Da waren der Yoga-Mann, dessen blonde Rastazöpfe fast im Sand hingen, wenn er seinen stundenlang andauernden Kopfstand vollführte, und die Flaschensammler, die ihre großen, prallgefüllten Mülltüten wie Päckchen trugen, die das Leben ihnen aufgehalst hatte. Und die arabischen Jungen, die von ihren Eltern mit gesalzenen Linsen losgeschickt wurden, um ein Zubrot zu verdienen. Und dazwischen die Bademeister, deren Stimmen über blecherne Lautsprecher dröhnten.
Im Strandland von Tel Aviv spiegelte sich auch die wahre Vielfalt der Stadt wider. Im Süden sonnten sich die Russen und Araber neben dem Hundestrand. In der Mitte trommelten und kifften die Hippies. Zwischen Frishman und Gordon lagen die französischen Touristen. Im Norden aalten sich die Reichen und die Schwulen vis-à-vis mit blassen Orthodoxen. Dazwischen lagen die Surferstrände wie Grenzpuffer. Im Moment war es allerdings viel zu kalt, als dass sich ein waschechter Israeli an den Strand getraut hätte, jedenfalls nicht in Badesachen.
Assaf erreichte das Polizeigelände in Jaffa, das er erst betrat, als er sicher war, seinen Roller ausreichend gesichert zu haben. Dann erklomm er die 39 Stufen, die zu seinem Büro führten, und grüßte seine Kollegen Itzik Nakash und Yossi Hag freundlich. Er durchquerte das Büro von Zipi Meier und ließ sich in seinen Bürostuhl fallen.
Erfreut stellte er fest, dass auf seinem Schreibtisch bereits eine Liste mit den Namen der Freier von Marina lag. Darauf hatte Schlomo ein Post-it befestigt. Seine Krakelschrift war kaum lesbar, aber immerhin konnte Assaf Satzfetzen entziffern: »Achi, IT -Leute Nachtschicht.
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