Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Mordabend selbst«, schaltete sich Assaf ein, »was hast du da gemacht?«
Liora Schwarz schaute den Kommissar überrascht an. »Stehe ich auch unter Verdacht?«
»Beantworte bitte die Frage«, forderte Assaf sie ruhig auf.
»Ich ... ich war bei meiner Tochter. Ich habe auf unseren Enkelsohn aufgepasst.«
»Bist du da mit dem Auto hingefahren?«
»Ja, natürlich. Meine Tochter wohnt in Rischon.«
»Habt ihr zwei Autos?«
»Kommissar Rosenthal, ich verstehe die Frage nicht. Wir haben ein Auto, und mit dem bin ich gefahren.«
»Mit dem Ford Focus?«
Liora Schwarz nickte unsicher. Sie schaute fragend zwischen Assaf und Yossi hin und her.
»Und nach dem Babysitten bist du auf direktem Weg nach Hause gefahren?«
»Ja.«
»Wann war das etwa?« Assaf hielt erwartungsvoll seinen Stift in der Hand und schaute in sein Notizbuch.
»So gegen halb elf.«
»Und da war dein Mann bereits zu Hause?«, fragte Assaf, ohne von seinem Notizbuch aufzublicken.
»Ja«, sagte Liora Schwarz mit dünner Stimme.
»Du hast ihn nicht irgendwo abgeholt?« Der Kommissar sah ihr jetzt direkt in die Augen.
»Nein«, erwiderte sie und hielt dem Blick stand.
»Hat es dich nicht wütend gemacht, dass dein Mann dichhinter deinem Rücken so verrät? Und dann auch noch so viel Geld einer Nutte in den Rachen wirft?«, mischte sich Yossi nun wieder ein.
»Natürlich«, antwortete sie ehrlich.
»Kannst du dir vorstellen, dass dein Mann sie getötet hat?«, fragte Yossi vorsichtig.
»Nein«, rief sie heftig. »Nie im Leben. Esra kann doch keiner Fliege etwas zuleide tun.« Der letzte Satz klang mehr nach Verachtung als nach einer liebevollen Bemerkung.
Assaf und Yossi wechselten einen vielsagenden Blick.
»Du hältst es also für unmöglich, dass Esra sich mit Marina verabredet hat und sie dann im Affekt umgebracht hat?« Yossi blieb beharrlich.
Liora Schwarz schwieg.
»Findest du nicht, dass er für all das, was er dir und ihr angetan hat, eine Strafe verdient hat?«
»Mein Mann hat diese Marina nicht umgebracht. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Und wenn ihr keine weiteren Fragen an mich als Zeugin habt, würde ich jetzt gerne gehen«, herrschte sie die beiden Polizisten an.
»In Ordnung«, erwiderte Assaf, »aber halte dich bitte weiter zur Verfügung. Es kann sein, dass wir im Laufe der Ermittlungen noch Fragen an dich haben.«
Liora Schwarz nickte dem Kommissar zu und verließ dann eilig das Zimmer.
Die beiden Polizisten blieben unschlüssig zurück.
»Kaffee?«, fragte Assaf, und Yossi nickte nachdenklich. Sie gingen gemeinsam in die Küche, in der alle Polizisten der Etage ihren Kaffee brühten. Immerhin war es um diese Uhrzeit relativ ruhig, nur vom Flur her drangen laute Stimmen in den fensterlosen Raum. Es schien, als würden diebeiden Kollegen, die in diesem Moment draußen vorbeiliefen, sich brüllend streiten – aber Assaf hörte heraus, dass sie nur über das Wetter in den kommenden Tagen diskutierten.
Schweigend tranken Assaf und Yossi ihren Kaffee.
»Das war ja nicht gerade ein Erfolg«, stellte Yossi schließlich fest, und Assaf brummte zustimmend.
»Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt aus Esra Schwarz mehr herausbekommen«, fügte Yossi hinzu.
»Hmmh«, murmelte der Kommissar.
»Assaf, woran denkst du?«
»Yossi, irgendetwas stimmt nicht. So als würde uns noch ein Teil im Puzzle fehlen.«
»Aber was denn bloß? Wir haben die Beweismittel, Zeugenaussagen, Motiv und ein fehlendes Alibi – es ist doch eigentlich alles sonnenklar, oder?«, fragte Yossi unsicher.
»Ja, wahrscheinlich hast du recht«, sagte Assaf langsam, während er seine Tasse in den Geschirrspüler stellte.
Der Kommissar verschwand in sein Büro. Er setzte sich auf einen seiner Besuchersessel. Von Anat hatte er immer noch nichts gehört. Vielleicht war sie beschäftigt, überlegte er. Vielleicht stand sie ebenfalls kurz davor, den Tod von Joy aufzuklären. Assaf überlegte, ob er seine Kollegin anrufen sollte, entschied dann aber, auf ihren Anruf zu warten.
Am frühen Nachmittag traf Esra Schwarz aus dem Gefängnis im Präsidium ein. Sein Anwalt Oren Ami kam gleichzeitig mit ihm an. Assaf empfing ihn in seinem Büro, während Esra Schwarz von Yossi bereits in eines der Verhörzimmer geführt wurde.
»Kommissar Rosenthal, du leitest hier also die Ermittlungen«,begrüßte Ami ihn forsch. »Ich verlange, bei dem Verhör heute dabei zu sein.«
»Kein Problem«, stimmte Assaf zu. Er wusste, dass die Anwesenheit eines Anwalts
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